Den FCK darf man niemals abschreiben. Das hat der Verein in seiner Historie umfassend unter Beweis gestellt. In der jüngsten Geschichte ist dies spätestens seit dem Aufstieg in die 2. Liga in den Köpfen aller Fußballfans wieder präsent. In der Spielzeit 2022/ 2023 haben die Roten Teufel weitere Beweise dafür gesammelt – und so viele Punkte nach Rückstand wie kein anderes Team der Zweiten Bundesliga.
Kenny Prince Redondo dreht nach dem Treffer bei seinem Ex-Klub Fürth zum Jubel ab.
Dass der FCK so manches Spiel drehen kann, hat er in der Saison 2022/ 2023 ausreichend belegt. Am fünften Spieltag gastierten die Roten Teufel bei der SpVgg Greuther Fürth und gerieten bereits in der 13. Spielminute in Rückstand. Es sollte nicht die einzige Partie bleiben, die das Team von Dirk Schuster mit Moral, Einsatz und Wille drehte. Beim Kleeblatt entführten die Männer in Rot drei Punkte – und erzielten durch Philipp Hercher, Mike Wunderlich und den ehemaligen Fürther Kenny Prince Redondo ebenso viele Tore.
Auch zu Hause überzeugten die Roten Teufel mit ihren Comeback-Qualitäten. Kein Wunder, wenn man von den rund 40.500 Anhängern, die im Schnitt auf den Betzenberg kamen, bis zur letzten Minute nach vorne gepeitscht wird. Nachdem die Schuster-Elf gegen die Darmstädter Lilien, die später in die 1. Bundesliga aufsteigen sollten, zu Hause mit 0:2 in Rückstand gerieten, feuerten die Roten Teufel alles raus, um letztendlich drei Tore innerhalb von 13 Minuten zu erzielen. Mike Wunderlich traf per Strafstoß, Redondo schnürte einen Doppelpack. Und auch wenn Aaron Seydel für den späteren Aufsteiger noch zum Ausgleich traf: Spätestens hier wurde der Mythos Betzenberg in dieser Saison endgültig wieder zum Leben erweckt.
Philipp Klement behält in Düsseldorf beim Strafstoß in der Nachspielzeit die Nerven – und vergoldet die Englische Woche zum Jahresabschluss.
In die Winterpause verabschiedeten sich die Roten Teufel mit einem Kracher. Das Spiel gegen die Fortuna, das in Düsseldorf passend zur Narrenzeit am 11. November ausgetragen wurde, sorgte für jede Menge Euphorie. Düsseldorfs Michal Karbownik traf in der 14. Minute für die Gastgeber, ehe Kevin Kraus nach der Halbzeitpause zum Kopfball ausglich. Lange sah es nach einem Remis aus – doch der FCK wäre nicht der FCK, wenn er nicht bis zur letzten Sekunde beißen würde. Die mitgereisten 8.000 Fans heizten die Roten Teufel an – und hatten schließlich etwas zu feiern: Philipp Klement besiegelte in der sechsten Minute der Nachspielzeit per Foulelfmeter die perfekte Englische Woche und schickte die Betze-Fans mit einem Glücksgefühl in die ungewohnt lange WM-Pause.
Aber auch im neuen Jahr machte der FCK FCK-Dinge: Direkt zum Auftakt 2023 ging es für den FCK nach Hannover – Derrick Köhn sorgte für die 1:0-Pausenführung für 96. Aber die Schuster-Elf kam besser aus der Kabine: Nur vier Minuten nach Wiederanpfiff glich Julian Niehues per Kopf aus, eine weitere Viertelstunde später sorgte Terrence Boyd für die Führung. Mit der letzten Aktion der Partie – in der siebten Minute der Nachspielzeit – machte Philipp Hercher alles klar. Tore in der Nachspielzeit. Auch eine Betze-Spezialität der Saison.
Philipp Hercher macht beim Rückspiel in Hannover den Deckel drauf – und jubelt mit den mitgereisten Fans.
Exemplarisch dafür: Der 26. Spieltag – Heimspiel gegen Heidenheim, das als Topspiel am Samstagabend auf dem Betze angestoßen wurde. Ein wahrhaftiges Betze-Drehbuch, ein hollywoodreifer Krimi, eines der emotionalen Saisonhighlights. Als die Gäste in der 53. Spielminute durch ein Tor von Tim Kleindienst in Führung gingen, diese in der 75. Spielminute auch noch durch den Ex-Lautrer Florian Pick ausbauen konnten und dann in der 90. +2 einen Elfmeter zugesprochen bekamen, dachten sicher einige vor den Fernsehern, dass es das gewesen sein sollte. Aber dass man den FCK niemals abschreiben darf, die Fans die Roten Teufel bis zur letzten Minute anpeitschten und dass der Betzenberg seine eigenen Gesetze schreibt, wurde in den darauffolgenden Minuten wieder deutlich.
Heidenheim, der spätere Zweitligameister, beziehungsweise Kleindienst, der spätere Torschützenkönig, traf beim Strafstoß nur den Pfosten und legte damit den Grundstein für eine der spektakulärsten Aufholjagden der Geschichte der 2. Bundesliga. Denn: Nur eine Minute später schlenzte Nicolas de Préville vor der Westkurve den Ball ins rechte obere Eck. Wenige Sekunden später: Hercher kam im Sechzehner an den Ball und glich in bester Betze-Manier in der fünften Minute der Nachspielzeit aus! Direkt danach war Schluss, die 40-Punkte-Marke zum Klassenerhalt geknackt. Unglaublich! Und ein Novum in Liga Zwei: Nie zuvor konnte ein Zweitligist einen Zwei-Tore-Rückstand in der Nachspielzeit aufholen. Das Fritz-Walter-Stadion stand Kopf und bewies aufs Neue: Es schreibt wahrhaftig seine eigenen Geschichten und Gesetze.
Das Spiel gegen Heidenheim auf dem heimischen Betzenberg steht sinnbildlich für die vielen Treffer, die der FCK in der Nachspielzeit erzielen konnte. Insgesamt sechs Tore, die die Schuster-Elf nach der 90. Minute erzielte, sind nach dem Hamburger SV, der acht Mal in der Nachspielzeit traft, der zweitbeste Wert der Liga. Lautre is widder do – und erinnerte den Rest der Liga dran: Es ist erst vorbei, wenn es vorbei ist.
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