Nach der ersten Meisterschaft der Walterelf im Jahre 1951 holte der 1. FC Kaiserslautern zwei Jahre später am 21. Juni 1953 seinen zweiten nationalen Meistertitel. Zum 70-jährigen Jubiläum erinnert sich Hans Walter vom FCK-Museumsteam an den Triumph der Roten Teufel und die das Endspiel prägenden politischen Umstände im geteilten Berlin.

Das Endspiel um die deutsche Fußballmeisterschaft 1953 war auf den 21. Juni festgesetzt worden, Austragungsort sollte das Olympiastadion in Berlin sein. Für dieses Fußballfest hatten sich der VfB Stuttgart und der 1. FC Kaiserslautern qualifiziert. Doch wenige Tage vor dem Finalspiel verdunkelte sich der Himmel über Berlin – die von der Führung der DDR beschlossene Erhöhung der Arbeitsnormen hatte in Ostberlin und mehreren Industriezentren der DDR seitens der Werktätigen zu Protesten und Streiks geführt, die am 17. Juni in einem Volksaufstand kulminierten. An diesem Tag demonstrierten in Ostberlin und anderen Städten der DDR Hunderttausende gegen die Politik der SED, sie forderten bessere und gerechtere Arbeits- und Lebensbedingungen, das Einhalten demokratischer Grundrechte und den Rücktritt von Otto Grotewohl und Walter Ulbricht. Die um ihre Existenz bangende DDR-Führung behauptete wahrheitswidrig, die Unruhen seien von faschistischen und imperialistischen Kräften aus dem Westen inszeniert worden und ließ die Demonstrationszüge mit Hilfe von Panzereinheiten der sowjetischen Besatzungsmacht brutal niederschlagen. Zahlreiche Tote und Verletzte waren zu beklagen und es setzte sofort eine Verhaftungswelle gegen Wortführer und Teilnehmer der Protestaktionen ein. Unmittelbar nach dem 17. Juni erfolgten mit verdächtiger Eile die ersten Gerichtsverfahren mit Todesurteilen und langjährigen Haftstrafen.

Das Entsetzen über die Geschehnisse in der DDR war auch in der Bundesrepublik in den Tagen nach dem 17. Juni sehr groß, das Interesse an dem Fußballereignis rückte vorübergehend in den Hintergrund. War es aufgrund der unsicheren Lage ratsam, am 21. Juni, nur vier Tage nach dem Volksaufstand, im Olympiastadion von Berlin das Endspiel um die (west-)deutsche Fußballmeisterschaft zu veranstalten?

Besorgte bundesrepublikanische Funktionäre verneinten diese Frage, als Ausweichspielorte wurden Köln, Augsburg und Ludwigshafen genannt. Doch der 1. FC Kaiserslautern und namentlich Spielführer Fritz Walter votierten für ein Beibehalten des Olympiastadions als Austragungsstätte. Berlins Regierender Bürgermeister Reuter dankte später Fritz Walter für sein Eintreten für die geteilte Stadt.

Als Südwestmeister und Gruppenerster seiner Qualifikationsgruppe hatte sich der 1. FC Kaiserslautern nach 1948 und 1951 zum dritten Mal in seiner Geschichte in das Endspiel um die deutsche Fußballmeisterschaft gekämpft. Die Südwestmeisterschaft schlossen die Roten Teufel vom Betzenberg überlegen mit 51 zu neun Punkten und mit dem großartigen Torverhältnis von 127 zu 31 Toren ab. Für die zahlreichen FCK-Tore war in hohem Maße Fritz Walter zuständig, der als Spielgestalter mit 38 Treffern auch noch deutscher Torschützenkönig der Saison 1952/53 wurde. Erwin Scheffler mit 24 und Bruder Ottmar Walter mit 20 Toren waren nach Fritz die erfolgreichsten FCK-Torjäger in dieser Spielzeit.

Zum Glück hatte Fritz Walter sein persönliches Tief beim mit 1:3 verlorenen Länderspiel am 5. Oktober 1952 gegen Frankreich in Paris bald überwunden, als seine Regie nicht ankam und er die Verantwortung für die Niederlage allein bei sich suchte. Der sensible Kapitän der Nationalmannschaft und des 1. FC Kaiserslautern bot damals Bundestrainer Herberger seinen Rücktritt aus der Ländermannschaft an, was Herberger jedoch zum Glück für die Nationalmannschaft, den FCK und auch für Fritz Walter selbst entschieden zurückwies. Bereits fünf Wochen später erlebten die Zuschauer beim Länderspiel gegen die Schweiz in Augsburg wieder einen glänzend disponierten Fritz und bei den nachfolgenden Begegnungen seiner Vereinsmannschaft lieferte er eine Galavorstellung nach der anderen ab. In der Saison 1952/53 zeichnete sich die Dominanz der Lauterer schon nach den ersten drei Spielen deutlich ab, als sie mit drei Siegen und 15:0 Toren an der Tabellenspitze standen. Nur zwei Mal wurde die Elf vom Betzenberg in dieser Spielzeit besiegt – beide Male von Saar-Mannschaften, dem FCS und Saar 05 Saarbrücken. Kleinere Vereine wie Engers, Bingen und Kirn fertigte der FCK mit acht oder neun Toren ab, aber auch große Vereine kamen gegen die Betzebuben unter die Räder, so zum Beispiel der FK Pirmasens mit 8:1 und Borussia Neunkirchen mit 6:0 Toren – und für die Niederlage im Hinspiel beim 1. FC Saarbrücken revanchierte sich die Walter-Mannschaft in der Rückrunde mit sage und schreibe 9:0 vor rund 20.000 Zuschauern auf dem prall gefüllten Betzenberg.

Mit deutlichem Vorsprung gewann der FCK die Südwestmeisterschaft vor dem TuS Neuendorf und dem 1. FC Saarbrücken. In den Qualifikationsspielen zur deutschen Meisterschaft musste sich der FCK mit Holstein Kiel, Eintracht Frankfurt und dem 1. FC Köln auseinandersetzen. Bis auf ein 2:2-Unentschieden gegen die Kölner konnten alle Hin- und Rückspiele gewonnen und somit die Teilnahme am Endspiel gegen den VfB Stuttgart gesichert werden.

Leider war das Fußballfest im Berliner Olympiastadion von den politischen Vorgängen um den 17. Juni überschattet, was daran zu erkennen war, dass gegenüber dem Endspiel von 1951 an gleicher Stelle mehr als 10.000 Plätze unbesetzt blieben. Vielen Fußballfreunden aus dem Ostteil der Stadt, die sich bereits Karten für das große Spiel besorgt hatten, war es wegen der Sperrungen und Kontrollmaßnahmen an der Sektorengrenze nicht möglich, zum Olympiastadion in Westberlin zu gelangen. Die allgemeine Verunsicherung führte auch dazu, dass manche FCK-Anhänger nicht wagten, die weite Fahrt nach Berlin anzutreten.

Die 80.000 Zuschauer im Olympiastadion bekamen von den Endspielmannschaften jedoch eine gute und packende Begegnung zu sehen. Das Spiel selbst begann mit einem Paukenschlag. Bereits in der ersten Spielminute wurde FCK-Mittelstürmer Ottmar Walter kurz vor der Strafraumgrenze gefoult; er stürzte in den Strafraum und Schiedsrichter Ternieden entschied auf Strafstoß. Als Elfmeterschütze scheiterte Fritz Walter an Stuttgarts Torhüter Bögelein. Man könnte von ausgleichender Gerechtigkeit sprechen, aber Fritz Walters Körpersprache deutete nach dem verschossenen Elfmeter und einigen missglückten Aktionen auf Resignation hin. Die Zuschauer konnten verfolgen, wie Ottmar auf seinen Bruder zulief und ihm etwas zuflüsterte. Jeder war überzeugt, Ottmar habe Fritz Trost und Zuversicht zugesprochen. Erst Jahre später bekannte Ottmar in einem Interview, dass er damals seinem älteren Bruder gedroht hatte, falls er jetzt seine Mannschaft im Stich lassen würde, käme der „Heilige Geist“ über ihn wie noch nie…

Wie dem auch sei – Fritz Walter übernahm mehr und mehr die Führung seiner Mannschaft, wurde immer selbstsicherer und erzielte in der 37. Spielminute mit einem Kopfball das 1:0 für den 1. FC Kaiserslautern. Mit dieser Führung ging es in die zweite Halbzeit, in der den Lauterern sehenswerte Spielzüge und in der 57. Minute das 2:0 durch Wanger gelang. Der VfB Stuttgart bäumte sich gegen die drohende Niederlage auf und konnte zwanzig Minuten vor Spielende durch Kronenbitter den Anschlusstreffer erzielen. In der Schlussoffensive des spielerisch überlegenen FCK gelangen jedoch Scheffler und Wenzel zwei weitere Tore zum 4:1-Endstand und damit zur verdienten Meisterschaft.

Mit Torhüter Willi Hölz, den Verteidigern Ernst Liebrich und Werner Kohlmeyer, den Läufern Horst Eckel, Werner Liebrich und Otto Render sowie den Stürmern Erwin Scheffler, Fritz Walter, Ottmar Walter, Willi Wenzel und Karl Wanger brachte der FCK unter Trainer Richard Schneider zum zweiten Mal die Meisterschale nach Kaiserslautern. Erneut gab es bei der Rückkehr eine Triumphfahrt in offenen Wagen durch das Spalier von zehntausenden FCK-Anhängern aus der ganzen Pfalz, wobei die Fanfarenbläser der Band „Die Schwarzen Rhythmiker“, die ihre Mannschaft schon in Berlin unüberhörbar angefeuert hatten, wie Herolde die Ankunft der Fußballhelden ankündigten.

70 Jahre sind seit diesem zweiten ganz großen Erfolg des 1. FC Kaiserslautern in seiner Vereinsgeschichte vergangen und von den Akteuren, die damals die Meisterschale nach Kaiserslautern holten, lebt heute keiner mehr. Dennoch gedenken wir den Mitgliedern dieser überragenden Mannschaft und ihrem Trainer in Dankbarkeit für das Großartige, das sie geleistet haben – für den FCK, für die Stadt Kaiserslautern, für die ganze Pfalz.

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