Doch dabei sollte es nicht bleiben, denn als der Trainer der Roten Teufel in der Sporthalle der Betzenbergschule eintrifft, kommen die Nachwuchskicker aus dem Staunen nicht heraus, denn der 300-fache Bundesliga-Spieler möchte tatsächlich mit ihnen trainieren. Er reiht sich in die Gruppe der Zehnjährigen ein und hört Coach Patrick Tessié aufmerksam zu.
Erst kurz vor Beginn der Vorbereitung auf die aktuelle Saison übernahm Marco Kurz die Verantwortung als Cheftrainer beim 1. FC Kaiserslautern. Seit seiner Vorstellung in der neuen Position ist er häufig darauf angesprochen worden, wie er den Auswahlprozess wahrgenommen hat. Doch ihn ficht das nicht an und die Fragen prallen an ihm ab. „Ich bin ein junger Trainer und erwarte nicht, dass ich bei einem Verein wie dem 1. FC Kaiserslautern oben auf der Liste stehe. Die Entscheidung für den FCK fiel auf meiner Seite aus ebenso großer Überzeugung wie auf Seiten von Stefan Kuntz. Wäre ich nicht überzeugt gewesen, hätte ich es nicht gemacht“, erklärt Kurz.
Der Lehrer Marco Kurz ist jeden wachen Moment des Tages mit Fußball beschäftigt und entwickelt Methoden, um seine Schützlinge voran zu bringen. Die individuelle Form der Spieler will er ebenso verbessern, wie ihre Stärken forcieren und ihre Schwächen bearbeiten. „Zudem ist es aber ein mindestens genauso wichtiger Bestandteil meiner Arbeit, die Mannschaft anzuhalten, über den Tellerrand hinauszuschauen und ihre Persönlichkeit weiterzuentwickeln.“ Die Qualität der Mannschaft als Kollektiv will er voranbringen und auch dem einzelnen Spieler die richtige Einstellung zu seinem Beruf vermitteln.
Die richtige Einstellung zur Trainingsarbeit scheinen die Nachwuchsteufel von Coach Tessié schon mitbekommen zu haben. Die Jungs haben kürzlich erst den renommierten EON-Cup gewonnen und auf den Weg dorthin Bayern München und Bayer 04 Leverkusen geschlagen. Die ersten Übungen des Trainings gehen die Jungs konzentriert und mit viel Spaß an. Marco Kurz ist gleichermaßen erstaunt und beeindruckt von der Vehemenz mit der die Zehnjährigen ihrem Pensum nachgehen. Er selbst begann das Fußballspiel im Alter von fünf Jahren beim SV Sillenbach im Schwabenland. Sein Vater betreute viele Jahre lang eigene Mannschaften und so spielte sich ein großer Teil des Familienlebens an und um die Fußballplätze der Region ab. Die Wochenenden bestimmte das Spiel um den Ball und auch seine Schwestern Angie und Alex waren immer mit dabei. Angie, heute 43 Jahre alt, erlebte die ersten Schritte ihres jüngeren Bruders im Fußballsport mit und obwohl sie selbst nicht aktiv war, unterstützte sie den jungen Bruder nach Kräften.
Die Betzenbergschule ist nunmehr Ort von Pass- und Torabschlussübungen. Lukas Klein und Niklas Müller spielen 2:1 mit dem Ex-Profi und die beiden Jungteufel machen keine schlechte Figur. Luca Schuler, der Sohne des Co-Trainers Holger Schuler, war zuletzt im Halbfinale des EON-Cups gegen die Bayern erfolgreich und trifft auch beim gemeinsamen Training ein ums andere Mal ins Tor. Torben Müsel, Doppeltorschütze im Finale gegen die Bayern, macht ebenfalls einen zielsicheren Eindruck, wie der Trainer später anmerkt. Bei der Spielform geht es kräftig zur Sache, die Jungs gehen richtig drauf und der Cheftrainer ermutigt sie, lobt, wenn sie konsequent gegen ihn arbeiten, fordert sie aber dennoch auf, nicht nur ein Schussbein zu nutzen, sondern beide einzusetzen. Begierig nehmen die Kids seine Ratschläge auf und lesen dem Lehrer ihrer Idole von den Lippen.
Marco Kurz bezeichnet sich als einen durchschnittlichen Schüler. „In der Schule war ich maximal Durchschnitt bis ausreichend in meinen Leistungen. Ich war definitiv mehr mit anderen Dingen beschäftigt, habe aber immerhin das Abitur gebaut.“ Zum Profifußball kam er danach eher unmerklich, denn einem Jahr als Vertragsamateur beim VfB Stuttgart folgte nach einem Einsatz in der Eliteliga der Wechsel nach Nürnberg und immerhin 108 Spiele für den Club in der Bundesliga. Nach dem Abstieg der Franken wechselte er zum BVB, doch trotz des errungenen Meistertitels wurde er bei den Schwarzgelben nicht glücklich und wechselte daher zum Rivalen nach Gelsenkirchen. Mit den Schalkern errang er 1997 unter Huub Stevens den UEFA-Cup und wechselte dann zu 1860 München. Bei den Löwen war der Abwehrspieler dann insgesamt sechs Jahre aktiv und erzielte in 129 Partien seine einzigen fünf Pflichtspieltreffer.
Um Tore geht es gerade auch beim FCK-Nachwuchs. Zu zweit gehen die Jungs auf den Torwart zu und der Vordermann legt den Ball für seinen Mitspieler ab. Die Torhüter zeichnen sich immer wieder aus, die Spieler treffen aber ebenso häufig ins Netz. Kurz ist mittendrin, legt den Ball für seine kleinen Kollegen ab oder schießt selber aufs Gehäuse. Die großen und kleinen Spieler lachen, scherzen und haben sichtlich Spaß miteinander. Ihr Trainer gibt ihnen den Raum, um sich mit dem großen Mitspieler zu befassen und auch Marco Kurz genießt es sichtlich inmitten der Nachwuchskicker.
Von seiner aktiven Zeit konnte er nicht so leicht lassen, denn nach dem Abstieg der Löwen machte er den entscheidenden Schritt in Richtung Trainerkarriere, als er als Spielertrainer beim SC Pfullendorf anheuerte. Als Aktiver hatte er sich von der B-Lizenz bis zur A-Lizenz gearbeitet und plötzlich befand er sich in einer Liga, für die er sogar den nötigen Trainerschein inne hatte. Die Trainerlehrgänge hatte er damals eher aus einem Impuls heraus absolviert. Freunde hatten ihn motiviert und immer wieder auf ihn eingeredet. „Eher andere haben mir das zugetraut und gesagt: „Geh mal dahin und mach das mal!“ Nach dem Jahr als Spielertrainer übernahm er das Regionalligateam aus Pfullendorf und ging so schrittweise den Weg zum Cheftrainer. Erfolgreich war er obendrein, denn die Pfullendorfer hielten die Klasse und erreichten ihre Ziele. Marco Kurz zeigte sein Talent als Übungsleiter und so wurde sein alter Club aus München auf ihn aufmerksam.
Er übernahm die zweite Mannschaft der Löwen und baute parallel seinen Fußballlehrer. „In dieser Zeit war es sehr schwer. Ich war zu Beginn noch Trainer der U23, doch in diese Zeit fiel auch meine Übernahme der ersten Mannschaft. Die Zeit in Köln und den Trainerlehrgang konnte ich letztlich überhaupt nicht genießen, denn ich fand mich gefangen in sehr vielen verschiedenen Dingen. Der Job nahm einen unermesslich großen Teil ein und der Lehrgang ebenso. Am Ende war es nicht möglich, den Fußballlehrer in Gänze aufzusaugen und zu genießen. Ich denke aber, dass ich am Ende allen gerecht geworden bin und das Beste aus dieser intensiven Zeit gemacht habe.“
Patrick Tessié, der Trainer der U11-Junioren, ist schon seit über 30 Jahren beim FCK in der Nachwuchsarbeit tätig. Vom heutigen Abend ist der erfahrende Jugendtrainer begeistert, denn „ich habe es noch nie zuvor erlebt, dass ein Cheftrainer überhaupt hier aufgetaucht ist, geschweige denn, dass er mit den Jungs zusammen trainiert hat. Das ist ein echtes Highlight und macht meine Jungs unglaublich stolz.“ Beide Trainer sind sich einig, dass im Team der eine oder andere hochtalentierte Spieler vorhanden ist und sind gespannt, ob und wer seinen Weg machen wird. Kurz selbst beschreibt sich rückblickend als fleißigen, gewissenhaften und willensstarken Spieler, der sich in seiner Karriere einiges erarbeiten musste. „Mein Talent hat mich wahrscheinlich in den Profifußball gebracht, aber den Rest musste ich mir hart erarbeiten, denn dort gab es sicher bessere Fußballer als mich“, erinnert er sich heute. Spricht man Weggefährten an, so werden sein Kampfgeist und seine Verbissenheit ebenso herausgestellt, wie seine Hingabe fürs Team. Seine Moral hat ihn weitergebracht und bis heute geprägt.
Wenn Marco Kurz heute in seiner Rolle als Cheftrainer auftritt, stellt er nichts dar, was er nicht aufrichtig vertreten kann. Von Marco Kurz gibt es keine Spielchen oder populistische Sprüche. Er ist geradeheraus, manchmal unbequem, aber immer authentisch und verlässlich. Seine Spieler und Kollegen schätzen diese im Profifußball leider immer selten werdenden Eigenschaften. Im Mediengespräch ist er zwar zurückhaltend und zuweilen skeptisch, lässt sich aber gern überzeugen und fasst Vertrauen. Er erarbeitet sich vieles im Team, auch wenn beim FCK noch allerlei Basisarbeit Chefsache ist. In der Pfalz ist der bodenständige Vater zweier Töchter rundum angekommen. Er hat ein Gefühl für die leidenschaftliche Art und Weise erworben, mit der hier Fußball und besonders der FCK gelebt werden. Siegt seine Mannschaft auf dem Betze, so hat man mitunter das Gefühl, er wolle jeden einzelnen Zuschauer umarmen. Doch darauf angesprochen macht er schnell und überzeugend deutlich, dass diese Momente einzig seinen Spielern gehören und sie sich dies mit ehrlichen und erfolgreichen Auftritten erarbeiten haben.
Nicht nur Spieler und Trainer haben an diesem Abend in die gut ausgestattete Halle der Betzenbergschule gefunden. Viele Elternteile sind zugegen und schauen dem Coach über die Schulter. Als es Zeit ist aufzubrechen, wird zuerst ein gemeinschaftliches Foto geschossen und anschließend verabschiedet sich Marco Kurz auch von jeder Mutter und jedem anwesenden Vater. Beim Weg aus der Halle erzählt er von seinen Eltern, die ihn über viele Jahre mehrfach in der Woche zum Training gebracht haben. „Ohne diese Bereitschaft wäre ich wohl nie Profi geworden und hätte diesen tollen Beruf nie ausüben können. Wir müssen unsagbar dankbar sein. Ich habe den schönsten Beruf, den ich mir denken kann und dem möchte ich noch lange erhalten bleiben.“
Beim kurzen Weg mit dem Auto zurück zum Betze gerät er ins Schwärmen: „Das gibt es nirgendwo in Deutschland, dass das Stadion so über der Stadt thront und so markant für die ganze Region ist. Dieser Verein ist etwas ganz besonderes.“ Genau. Und Marco Kurz ist ein wichtiger Teil von ihm.