Zu den zu Unrecht in Vergessenheit geratenen Spielern zählt beim FCK der zweifache Meisterspieler und spätere Jugendtrainer Ernst Liebrich, der am 18. Dezember 100 Jahre alt geworden wäre.
Ernst Liebrich kam beim 1. FC Kaiserslautern auf insgesamt 209 Pflichtspiele, von denen er 15 während des Zweiten Weltkrieges in der damaligen Gauliga absolvierte. Sein jüngerer Bruder war Werner Liebrich, der „Stopper“ der deutschen Weltmeistermannschaft von 1954 und ebenfalls zweifacher deutscher Meister sowie späterer Mannschaftskapitän des FCK. Die Liebrich-Brüder wuchsen im Kaiserslauterer Arbeiterviertel „Kotten“ auf und mussten als Kinder erleben, dass ihr Vater im Jahr der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933 wegen „Hochverrats“ durch Propaganda für die Kommunistische Partei denunziert, verhaftet und zu 22 Monaten Gefängnis verurteilt wurde – für die Buben ein traumatisches Geschehen.
In seinen 1965 niedergeschriebenen Lebenserinnerungen schildert Ernst Liebrich, dass er als Sohn eines „politisch Unzuverlässigen“ geächtet wurde und nicht mehr bei den „Blau-Weißen“ vom SC Kaiserslautern, die ihren Sportplatz im Pfeifertälchen hatten, mitspielen durfte. Mutter Erna Liebrich, die mit einer schmalen Unterstützung auskommen musste und auf die Hilfe von Verwandten und Bekannten angewiesen war, tat alles in ihren Kräften Stehende, um den beiden Buben eine „normale“ Kindheit zu ermöglichen. Strikt achtete sie darauf, dass Ernst und Werner in der Schule fleißig lernten und ihre Hausaufgaben ordentlich erledigten und sie nähte ihnen Sportsachen, damit sie bei Sport und Spiel nicht abseits stehen mussten.
Nach seiner Rückkehr aus der Inhaftierung sorgte Vater Liebrich für die Aufnahme von Ernst bei dem Arbeiterverein „Olympia“. Auf dem Sportgelände dieses Vereins oberhalb des Waldschlößchens reifte der junge Ernst zu einem guten Fußballer heran. 1938 begann Ernst Liebrich eine Ausbildung zum Mechaniker bei der Firma Pfaff, später war er bei diesem größten Arbeitgeber Kaiserslauterns als Technischer Zeichner tätig.
Wie für die meisten Jugendlichen, war es auch für Ernst Liebrich unumgänglich, sich dem NS-Jungvolk anzuschließen und bei den Pimpfen, später bei der HJ, mitzumarschieren. Verhasst war ihm bei dieser Jugendorganisation der vormilitärische Drill – allerdings konnte er mit seiner „Fähnlein-Mannschaft“ und auch für den Verein ausgiebig Fußball spielen. Es war der fast gleichaltrige Ottmar Walter, der auf ihn einredete und ihm mit dem Hinweis auf die ausgezeichnete Kameradschaft und die guten sportlichen Möglichkeiten empfahl, sich dem 1. FC Kaiserslautern anzuschließen. Trotz anfänglicher Bedenken ließ sich Ernst schließlich überzeugen und wechselte zu den „Schnäkern“ auf den Betzenberg. In der Saison 1940/41 schaffte Ernst den Sprung in die Erste Mannschaft und ein Jahr später absolvierte er bereits elf Spiele für den FCK in der Gauliga. Zu seinen Mannschaftskameraden zählten damals u.a. Nationalspieler Fritz Walter, Werner Kohlmeyer, Werner Baßler und Heinz Jergens, sein Freund aus der Hasenstraße.
1943 nahm der fußballerische Höhenflug ein jähes Ende – Fritz Walter war nach Sardinien abkommandiert worden und Ernst Liebrich wurde zur Marine eingezogen. Im gleichen Jahr hatte Werner Liebrich, der jüngere Bruder von Ernst, seine ersten Einsätze in der Gauliga Westmark, ehe das Kriegsgeschehen den Fußballsport zum Erliegen brachte.
Ernst Liebrich kehrte – wie Fritz Walter und Bruder Werner – nach Kriegsende wohlbehalten in die Heimatstadt zurück. Fritz Walter begann unverzüglich, bei seinem FCK eine neue Mannschaft aufzubauen. Und in dieser Elf spielten von Beginn an die Brüder Liebrich eine hervorragende Rolle. Ernst Liebrich spielte als „Liebrich I“, genannt der „Große Fahrer“, als rechter Läufer, während Werner als „Liebrich II“ oder der „Kleine Fahrer“ die Position des Mittelläufers bzw. Stoppers übernahm. Ernst Liebrich verdankte den Beinamen „Fahrer“ einem energischen Zwischenruf Fritz Walters, der seinem Kameraden während einer gegnerischen Drangperiode zurief: „Fahr emol dezwische!“ Ernst fuhr dazwischen und war ab sofort der „Fahrer“.
Mit den Punktspielen in der 1. Liga Südwest, Gruppe Nord, begann Anfang 1946 in der Nachkriegs- und Notzeit für den FCK wieder die Fußballnormalität. Und dieser von Spielertrainer Fritz Walter betreute FCK erwies sich als ausgezeichnete Elf. Es spricht für die spielerische Qualität und die Leistungsstärke von Ernst und Werner Liebrich, dass beide über Jahre hinweg zu den Stammspielern dieser „Walter-Mannschaft“ zählten. Die Erfolge blieben nicht aus – von 1947 bis 1950 konnte der FCK jeweils die französische Zonenmeisterschaft gewinnen, 1948 zog der FCK in das erste Endspiel um eine deutsche Meisterschaft nach dem Zweiten Weltkrieg ein, wurde Vizemeister und errang 1949 in der Meisterschaftsendrunde immerhin den dritten Platz im „kleinen Endspiel“ gegen Kickers Offenbach.
1951 erlebten die Liebrich-Brüder Seite an Seite ihren bis dahin größten Erfolg: Im Endspiel um die deutsche Fußballmeisterschaft konnte in Berlin die starke Mannschaft von Preußen Münster 2:1 besiegt und die Meisterschale erstmals nach Kaiserslautern geholt werden. Dieser Triumph wurde 1953 an gleicher Stelle mit einem 4:1-Erfolg gegen den VfB Stuttgart wiederholt – und auch diesmal standen Ernst (vom Läufer zum Verteidiger umgeschult) und Werner Liebrich im Team des 1. FC Kaiserslautern.
Werner Liebrich war inzwischen Nationalspieler geworden und er erlebte 1954 mit dem Gewinn der Weltmeisterschaft den Höhepunkt seiner Karriere. Für Ernst hingegen deutete sich in diesem Jahr das Ende seiner Spielerlaufbahn an. Verletzungen, aber auch berufliche Herausforderungen, führten zu seinem Abschied aus der Walter-Mannschaft, für die er als spielerisch starker und zuverlässiger Akteur 152 Oberligaspiele und 26 Endrundenspiele um die deutsche Meisterschaft absolviert hatte.
Der „Große Fahrer“ blieb mit seiner reichen Erfahrung dem FCK jedoch als Trainer für den Jugendbereich erhalten. Während einer Trainingseinheit zog sich Ernst Liebrich eine komplizierte, schmerzhafte Knieverletzung zu, lange Krankenhaus- und Rehaklinik-Aufenthalte waren die Folge.
In den Neunzigerjahren freute er sich über die Erfolge des FCK, die Pokalsiege, die Meisterschaft 1991, den Wiederaufstieg nach dem Absturz von 1996 und die sensationelle Meisterschaft 1998. Bei seinem letzten Besuch auf dem Betzenberg war Ernst Liebrich bereits von Krankheit gezeichnet. Am 27. Januar 2001 verstarb der große FCK-Spieler, der im Marschlied von der Walter-Mannschaft verewigt ist: „… Abstoß vom Tor-Fahrer am Ball – gibt ihn schön vor…“
Auf dem Friedhof von Morlautern fand er seine letzte Ruhestätte. An seinem hundertsten Geburtstag verneigen sich alle FCK-Anhänger in Anerkennung und Dankbarkeit vor den Leistungen, den Erfolgen und dem Lebensweg Ernst Liebrichs.