Mimoun Azaouagh wird 30 Jahre alt und fährt zusammen mit Kapitän Albert Bunjaku und Enis Hajri in die Fanregion Rheinhessen nach Gau-Odernheim. Mimoun lacht und freut sich bereits über viele Gratulanten, die an dem Tag an ihn gedacht haben. Das Lächeln bekommt der sympathische Mittelfeldspieler an diesem Tag auch so schnell nicht aus seinem Gesicht. Auf dem Weg von Kaiserslautern nach Gau-Odernheim haben wir die Möglichkeit, Mimoun erste Fragen zu stellen:

Mimoun, Du feierst heute Deinen 30. Geburtstag. Ein besonderer Tag für Dich?
Letztlich ist es ein Tag wie jeder andere auch (lacht). Wir haben heute Morgen trainiert, jetzt freue ich mich auf den Besuch in Rheinhessen und danach werde ich zu meiner Familie nach Frankfurt fahren, um den Geburtstag gemütlich und in aller Ruhe zufeiern.  

Kannst Du Dir vorstellen, was Euch gleich erwartet?
Ich habe schon einige Besuche bei den Fans mitgemacht, beim FCK allerdings noch nicht. Ich bin gespannt, was uns an der Grenze zu Mainz erwartet, genaue Vorstellungen habe ich nicht. Ich finde die Aktion super, die Fans haben eine schwere letzte Saison erlebt. Auch wenn ich damals noch nicht beim FCK war, wir wollen uns einfach für die Unterstützung bedanken, denn die war, das haben mir meine Kollegen erzählt, zu jedem Zeitpunkt phänomenal.

Du sprichst Deinen Wechsel zum FCK bereits an. Was waren die Gründe, Dich für die Roten Teufel zu entscheiden?
Ich wollte weiterhin Bundesliga spielen, das traue ich mir auch immer noch zu. Dann kam der Anruf von Stefan Kuntz, den ich aus Bochumer Zeiten ja noch kannte. Wir hatten sehr gute und intensive Gespräche, in denen er mir aufgezeigt hat, welche Ziele der 1. FC Kaiserslautern in den kommenden Jahren verfolgt. Die Philosophie hat mich überzeugt und sogar so beeindruckt, dass ich allen anderen Vereinen daraufhin abgesagt habe.

Welche Rolle hat die Familie, die in Frankfurt lebt, bei Deiner Entscheidung gespielt?
Im ersten Schritt ging es für mich um die sportliche Perspektive. Erst im zweiten Schritt hat die Familie eine Rolle gespielt. Letztlich hat das Paket einfach gestimmt und ich freue mich natürlich auch, wieder ein Stück näher an meiner Familie dran zu sein.

Ein Großteil Deiner Familie lebt aber auch in Marokko. Welchen Bezug hast Du noch zu Deinem Heimatland und den Menschen dort?
Marokko ist ein wunderschönes Land. Ich liebe es! Immer wenn es die Zeit zulässt, aber mindestens einmal im Jahr, fliege ich zu meiner Familie. Die Kultur und die Menschen in Marokko faszinieren mich. Sie sind besonders herzlich und gastfreundlich, das schätze ich speziell an ihnen.

In Deutschland hast Du auch schon einige Stationen hinter Dir. Frankfurt, Mainz, Schalke, Bochum. Was ist Dir aus jedem Verein in Erinnerung geblieben?
Über den Sport hinaus bleibende Freundschaften aus den einzelnen Städten, sind die schönsten Erinnerungen, die ich bisher in meiner Karriere erlebt habe. Ich habe viele tolle Menschen kennen gelernt und grundsätzlich nur positive Erinnerungen an meine bisherigen Stationen.

Gab es Trainer in Deiner Karriere, die dich besonders geprägt haben?
Jeder Trainer hat seine eigene Philosophie und eine eigene, persönliche Art zu arbeiten. Ich muss aber auch sagen, dass ich bisher in meiner Karriere mit allen Trainern gut ausgekommen bin. Ich könnte viele Trainer aufzählen, Jürgen Klopp, Ralf Rangnick, Marcel Koller, aber besonders möchte ich Friedhelm Funkel erwähnen. Er war menschlich und fachlich einer der besten Trainer. Er hatte ein Gespür dafür, in bestimmten Situationen einfach das Richtige zu tun, die richtigen Worte zu finden. Das hat mich beeindruckt.

Das Ortseingangschild von Gau-Odernheim haben wir gerade passiert. Ein beschauliches, kleines Örtchen erwartet die drei FCK-Profis am Sportplatz des hiesigen Fußballvereins TSV Gau-Odernheim. Das Vereinsheim ist gut gefüllt, rund 130 FCK-Fans sind in freudiger Erwartung auf ganz besondere zwei Stunden mit den Gästen vom Betzenberg. Mimoun Azaouagh, Albert Bunjaku und Enis Hajri machen sich mit einigen Geschenken bewaffnet auf den Weg vom Parkplatz in die Halle. Als die Tür aufgeht, hallt den FCK-Profis bereits ein lautes und immer wiederkehrendes „Happy Birthday“ entgegen. Mimoun ist völlig überrascht und gerührt, als auch noch ein kleiner FCK-Fan mit einem selbst gebackenen Kuchen auf ihn zu kommt. Die Nummer 7 der Roten Teufel schnappt sich anschließend das Mikrofon und bedankt sich für den herzlichen Empfang. Danach nehmen Azaouagh, Bunjaku und Hajri vorne Platz und warten gespannt auf die ersten Fragen aus dem Publikum. Abwechselnd beantworten die drei FCK-Profis jede einzelne Frage, die den Fans in Rheinhessen auf der Seele brennt. Interessant: Ein FCK-Fan will wissen, welche Frage die drei Akteure denn schon immer mal einem Betze-Fan stellen wollen. Alle Drei sind überrascht und lachen, doch dann entwickelt sich ein lockerer, lustiger Austausch zwischen Fans und Spielern. Die Stimmung steigt, als nach der Fragerunde sich die Autogrammstunde anschließt. Doch davor nutzen wir eine kleine Unterbrechung, um Mimoun weitere Fragen zu stellen:

Du bist gleich mit mehreren Geburtstagsständchen hintereinander und einem Geburtstagskuchen hier in Gau-Odernheim empfangen worden. Warst Du überrascht?
Ich wusste von nichts und war mehr als positiv überrascht. Ich habe mich riesig über den Empfang und den Kuchen gefreut, das ist doch klar. Vielen Dank auch nochmal dafür. Ich habe meinen Geburtstag in dieser Form noch nie so gefeiert. Überhaupt, dass mir über 100 Leute gleichzeitig ein Ständchen singen, war schon sehr emotional.

Was macht die FCK-Fans eigentlich so besonders?
Es ist wirklich schwer in Worte zu fassen. Man muss ein Spiel auf dem Betzenberg live miterlebt haben, um das zu verstehen. Es ist ein unbeschreibliches Gefühl, wenn die Westkurve hinter uns steht und uns bedingungslos nach vorne treibt. Ich kann jedem nur ans Herz legen, sich mal ein Spiel auf dem Betzenberg anzuschauen, dann versteht man vielleicht, was ich meine…

Kommen wir vom Betzenberg zu einem anderen Stadion: Die Stamford Bridge in London…
Das Stadion von Chelsea (lacht). Da dufte ich mein erstes und bislang auch einziges Champions-League-Spiel absolvieren. Ich bin rund eine Viertelstunde vor Schluss eingewechselt worden. Viel mehr weiß ich von dem Spiel allerdings nicht mehr. Wir haben damals verloren und Niederlagen streiche ich schnell aus meinem Gedächtnis. Ich hasse es, zu verlieren.

Dennoch: Jeder kleine Junge, der Fußball spielt, träumt einmal davon, in der Königsklasse aufzulaufen…
Das stimmt. Ich bin auch immer noch stolz darauf. Es war ein tolles Erlebnis, sich für einen Moment mit den besten Spielern in Europa zu messen.

Von Schalke gings anschließend nach Bochum. Das hieß für Dich auch, von der Champions-League in den Bundesliga-Abstiegskampf und nach zwei Jahren auch in die 2. Bundesliga. In der Folgesaison habt Ihr aber wieder um den direkten Wiederaufstieg mitgespielt? Welche Parallelen kannst Du zum FCK in dieser Saison ziehen?
Wir hatten damals in Bochum eine ähnliche Qualität im Kader, wobei ich unseren Kader in dieser Saison noch einen Tick stärker einschätze. Grundsätzlich sind das aber zwei verschiedene Paar Schuhe. Wichtig ist, dass wir am Ende der Saison auf einem direkten Aufstiegsplatz stehen. Das haben wir mit dem VfL leider verpasst und mussten uns dann in der Relegation Gladbach geschlagen geben. Ich bin kein Fan der Relegationsspiele, weil sich der Zweitligist in zwei Spielen eine sehr gute Saison kaputt machen kann und der Bundesligist eine verkorkste Saison in zwei Spielen wettmachen kann.

Du bist auch in dieser Saison immer wieder von kleineren Verletzungen heimgesucht worden. Das zieht sich leider auch durch Deine gesamte Karriere. Wie schaffst Du es, Dich immer wieder neu zu motivieren und aufzurichten?
Mein größter Rückhalt ist der Glaube an Gott. Aber auch meine Familie ist in diesen Situationen für mich da. Daraus schöpfe ich neue Energie und tanke Kraft. Daher weiß ich, es kann jede Verletzung kommen, ich bin stark genug.

Du sprichst Deinen Glauben an: Wie bist Du eigentlich zu Deinem Glauben gekommen?
Ich bin so erzogen worden. Ich hatte zwischendurch zwar eine Phase, in der ich das Schleifen gelassen habe, aber vor einigen Jahren habe ich mir viele Fragen gestellt. Was ist der Sinn des Lebens? Warum existiert die Menschheit überhaupt? Mein Glaube an die Existenz Gottes hat mir die Antworten gegeben…

Wie praktizierst Du Deinen Glauben?
Ich bin Muslim. Ich bete fünfmal am Tag. Ich versuche Gutes zu tun und Menschen zu helfen, so wie es jeder Muslim tun sollte.

Der Glaube hat Dir auch beim FCK schon geholfen. Welche Ziele verfolgst Du nicht nur in dieser Saison, sondern in den nächsten Jahren?
Der Aufstieg hat in dieser Saison oberste Priorität. Ich bin überzeugt, dass wir das auch schaffen. Dann geht es darum sich über den Klassenerhalt in der Bundesliga wieder zu etablieren. Außerdem möchte ich jeden Tag ein noch besserer Mensch werden, meinen Glauben noch besser praktizieren und meiner Familie und meinem Umfeld nicht schaden.

Ihr habt in dieser Saison schon oft Unentschieden gespielt, aber auch noch kein Spiel verloren: Warum ist es so schwer gegen Euch zu gewinnen?
Wir wollen jedes Spiel gewinnen, das ist doch klar. Wenn am Ende nur ein Punkt dabei herauskommt, müssen wir die Partie analysieren und es im nächsten Spiel besser machen. Am Ende der Saison wird abgerechnet und dann kann jeder einzelne Punkt wichtig sein. Wir sind ganz oben mit dabei und das ist gut. Uns muss man erstmal schlagen.

Was zeichnet die Mannschaft in diesem Jahr aus?
Individuelle Klasse gepaart mit Teamgeist. So könnte die Aufstiegsformel lauten…

Letzte Frage: Macht man sich mit 30 auch schon Gedanken über das Leben nach der Fußballkarriere oder ist das noch zu weit weg?
Unabhängig vom Alter hat es bei mir relativ schnell „Klick“ gemacht. Als ich mit Anfang 20 die erste schwere Verletzung hatte, habe ich mir bereits Gedanken über die Zeit nach der Fußballkarriere gemacht. Allerdings habe ich noch nicht entschieden, was ich genau machen werde. Erstmal will ich die nächsten Jahre als Fußballer noch genießen.

Genießen wird Mimoun Azaouagh auch noch den heutigen Tag im Kreise seiner Familie. Doch bevor der Mittelfeldspieler seinen Geburtstag zu Hause in aller Ruhe feiert, stehen die FCK-Fans in Gau-Odernheim noch einmal im Mittelpunkt. Azaouagh, Bunjaku und Hajri schreiben sich die Finger wund und erfüllen auch die zahlreichen Fotowünsche jedes Einzelnen. Nach fast zwei Stunden neigt sich Mimouns „große Geburtstagsparty“ allerdings dem Ende zu. Mit viel Applaus werden die drei FCK-Profis aus der Halle verabschiedet. Ein mehr als gelungener Nachmittag geht zu Ende und Mimoun lässt seinen runden Ehrentag bei seiner Familie in Frankfurt ausklingen.