Der Aufsteiger wird Deutscher Meister 1998 – 1. FC Kaiserslautern vollbringt ein Fußballwunder
Die Bundesligasaison 1997/98 begann mit einem mächtigen Paukenschlag, dem 1:0-Sieg des 1. FC Kaiserslautern beim amtierenden Deutschen Meister Bayern München – und sie endete am 10. Mai 1998 in einem rot-weißen Fahnenmeer bei der triumphalen Rückkehr des neuen Deutschen Meisters nach Kaiserslautern.
Was die von Otto Rehhagel trainierte Mannschaft mit Martin Wagner, Andreas Buck, Harry Koch, Miro Kadlec, Olaf Marschall, Ciriaco Sforza, Axel Roos, Michael Schjönberg-Christensen, Ratinho, Michael Ballack, Andreas Reinke, Marco Reich, Thomas Riedl, Pavel Kuka, Jürgen Rische, Oliver Schäfer und Andy Brehme vollbracht hatte, glich einem märchenhaften Fußballwunder: Zwei Jahre zuvor war der FCK denkbar knapp und unglücklich in die Zweite Liga abgestiegen, ein Jahr später gelang als Meister der Zweiten Liga der sofortige Wiederaufstieg und nun, 1998, konnten die Spieler und ihre Anhänger die vierte deutsche Meisterschaft ihres FCK feiern.
Viele Fußballfreunde in Deutschland fragten sich damals, wie diese Leistung möglich war, als Aufsteiger die deutsche Meisterschaft zu erringen.
Der Erfolg hatte seinen Anfang bereits eine Woche nach dem Abstiegsdrama 1996 von Leverkusen mit dem Gewinn des deutschen Pokalfinales in Berlin genommen. Dieses Erfolgserlebnis, so kurz nach dem bitteren Abstieg, war äußerst wichtig für das Selbstbewusstsein der Spieler und ihrer Anhänger. Die Mannschaft blieb in der Zweiten Liga weitgehend zusammen und erhielt mit Otto Rehhagel einen erfahrenen und erfolgreichen Trainer. Rehhagel, in den späten Sechziger und frühen Siebziger Jahren als kompromissloser Verteidiger auf dem Betzenberg aktiv, war zwar an den hohen Ansprüchen von Bayern München gescheitert, hatte aber zuvor bei Werder Bremen unter Beweis gestellt, ein „erstklassiger Trainer“ (Originalton Kalli Feldkamp) zu sein.
Den Wiederaufstieg zu erreichen war für viele Betze-Anhänger fast eine Selbstverständlichkeit und Wiedergutmachung nach dem schmerzhaften Absturz von 1996. Die souveräne Art, in der dieses Ziel erreicht wurde, berechtigte nun zu der Hoffnung auf eine Erstligasaison ohne Abstiegssorgen. Der Vereinsführung und Otto Rehhagel gelang es damals, die Mannschaft mit der Verpflichtung von Andreas Buck, Marian Hristov, Michael Ballack und „Rückkehrer“ Ciriaco Sforza sinnvoll zu verstärken. Überdies wuchs das Team unter Otto Rehhagel wieder zu einer Einheit zusammen und der Trainer verstand es, seinen Spielern ein Höchstmaß an Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl zu vermitteln und sie zu besonderen Leistungen zu motivieren.
Nach drei Tagen in der neuen Spielzeit führte der FCK die Tabelle an; dennoch bezweifelten die Pessimisten unter den Betze-Anhängern, ob der Höhenflug lange andauern würde. Die Roten Teufel sammelten aber fleißig Punkte und lagen stets zwei, drei oder vier Punkte vor dem großen Konkurrenten aus München, dem FC Bayern. Der Herbstmeister hieß demzufolge 1. FC Kaiserslautern und im ersten Spiel der Rückrunde konnte der FC Bayern auf dem Betzenberg mit 2:0 bezwungen werden. Die Hoffnung auf eine erneute Meisterschaft setzte sich sowohl in den Köpfen der Spieler als auch der Fans fest. Einen Dämpfer erhielten die hohen Erwartungen allerdings am 28. März 1998, als das Heimspiel der ersatzgeschwächten Roten Teufel mit 0:3 gegen Bayer Leverkusen verloren wurde und die drei nachfolgenden Spiele jeweils unentschieden endeten und der Vorsprung des FCK auf die Bayern dramatisch zusammenschmolz.
Die Begegnung des FCK am 24.04. im restlos ausverkauften Fritz-Walter-Stadion gegen Borussia Mönchengladbach brachte die Vorentscheidung im Rennen um die Meisterschaft. Die von Trainer Friedel Rausch betreuten Borussen setzten den FCK von Beginn an unter Druck und gingen verdient mit 2:0 in Führung. Mit dem Halbzeitpfiff konnte Olaf Marschall auf 2:1 verkürzen und in der zweiten Spielhälfte erlebten die 38.000 Zuschauern einen grandiosen Sturmlauf des FCK. Zum Held an diesem Freitagabend wurde Olaf Marschall, der nicht nur den Ausgleich besorgte, sondern mit einem sehenswerten Kopfball in der Schlussphase der Begegnung den 3:2-Sieg für seine Mannschaft sicherte. „Olaf Marschall Fußballgott!“, skandierten reichlich blasphemisch die begeisterten Fans auf der Westtribüne.
Jeder FCK-Anhänger sah es nun als Pflichtaufgabe der Betze-Mannschaft, die für die vierte Meisterschaft noch fehlenden Punkte im Heimspiel gegen den VfL Wolfsburg zu sichern. Dies gelang im sonnenüberfluteten Stadion auf dem Betzenberg durch einen souverän herausgespielten 4:0-Erfolg über die „Wölfe“. Man hatte den FC Bayern München auf Distanz gehalten. Voller Stolz konnte nach der Begegnung Hubert Kessler die Mannschaft als „Deutschen Meister 1998“ vorstellen.
Der neue Meister wollte sich nicht mit einer Niederlage aus der Saison verabschieden und erkämpfte sich eine Woche später im letzten Spiel ein 1:1 in Hamburg und durfte nun, gefeiert von einer stattlichen Schar mitgereister Fans, die begehrte Meisterschale in Empfang nehmen.
Einen Tag später erlebte Kaiserslautern bei herrlichem Frühsommerwetter den Empfang des neuen Meisters in der Barbarossastadt. Man schätzt, dass etwa 120.000 Menschen den Weg Richtung Stadtmitte und zum Gelände um das Rathaus und Pfalztheater säumten. Ein Meer aus rot-weißen Fahnen und FCK-Shirts mit entsprechendem Aufdruck vermittelte einen überwältigenden Anblick. Auf dem Dach des Rathaussaales wurden die Spieler und ihr Trainer mit echt pfälzischer Begeisterungsfähigkeit gefeiert und Olaf Marschall für seine 21 Saisontore noch einmal besonders bejubelt.
Was dem 1. FC Kaiserslautern damals gelungen ist, hat sich bis heute in Fußball-Deutschland nicht wiederholt: Ein Absteiger wurde Pokalsieger, stieg wieder auf und triumphierte ein Jahr später als Deutscher Meister.
Sich mit Freude und Dankbarkeit dessen zu erinnern, ist gerade in der jetzigen Situation unseres FCK wichtig und wertvoll: Wenn Mannschaft, Vereinsführung und Anhänger zusammenhalten und sich für das ersehnte Ziel mit Leidenschaft und Herz einsetzen, wird der baldige Aufstieg aus der dritten Liga ganz gewiss keine Utopie bleiben.