Wohl jeder Fußballer träumt davon, einmal Deutscher Meister zu werden und die Meisterschale in Händen halten zu dürfen. Natürlich galt auch bei Fritz Walter und seinen Kameraden vom FCK das Erringen der Deutschen Meisterschaft sehnsuchtsvoll als höchstes Ziel, für das sich alle Anstrengungen und der vollständige persönliche Einsatz lohnen würde. Am 30. Juni 1951 sollte die Elf aus Kaiserslautern dann auch eben jenen ersten Meistertitel in die Pfalz holen.
1948 stand Fritz Walter mit seiner Mannschaft im ersten Meisterschaftsendspiel nach dem Zweiten Weltkrieg kurz vor dem Erreichen des Triumphes — doch das Endspiel in Köln ging mit 1:2 gegen die etwas routiniertere Elf des 1. FC Nürnberg verloren. Auch nach der Saison 1948/49 reichte es für den FCK nach einer Endrundenniederlage gegen Borussia Dortmund nicht zum Titelgewinn; immerhin konnte damals das „kleine Endspiel“ um den dritten Platz gegen Kickers Offenbach mit 2:1 gewonnen werden. Wieder ein Jahr später war es der VfB Stuttgart, der die Meisterschaftsambitionen der Roten Teufel mit 5:2 in der Endrunde recht deutlich stoppte.
Die Saison 1950/51 wurde in der Oberliga Südwest nur mit 14 Mannschaften bestritten – die saarländischen Vereine hatten, wie in den Jahren zuvor, keine Genehmigung von der französischen Besatzungsmacht erhalten, sich der Oberliga anzuschließen. Von Beginn der Meisterschaftsrunde an ließ der FCK keine Zweifel aufkommen, wer die Südwestdeutsche Meisterschaft gewinnen würde. Nur ein Auswärtsspiel in Worms und ein Heimspiel gegen Engers gingen für die Lauterer verloren, zwei Begegnungen endeten Unentschieden; 22 Siege brachten den Roten Teufeln 46:6 Punkte und ein Torverhältnis von 95:16. Torschützenkönig im Südwesten wurde damals Ottmar Walter mit 28 Treffern; Werner Baßler hatte es auf 25 Torerfolge gebracht.
Weniger erfreulich lief die Saison 1950/51 für den Schatzmeister des FCK, denn zu den meisten Spielen fanden sich nur 1.000 bis 4.000 Zuschauer auf dem Betzenberg ein. Lediglich gegen Worms, Neuendorf und Phönix Ludwigshafen kamen mehr als 10.000 Besucher und – wie so oft – war das Spiel gegen den Lokalrivalen FK Pirmasens mit mehr als 20.000 Gästen der „Renner“ des Jahres.
Die Endrunde um die Deutsche Meisterschaft wurde von acht Mannschaften in zwei Viererblöcken jeweils mit Hin- und Rückspielen bestritten. Die Gruppenersten würden am 30.06.1951 das Endspiel um die Deutsche Meisterschaft im Berliner Olympiastadion austragen.
Für den 1. FC Kaiserslautern, für seine Spieler und Verantwortlichen und auch für die zahlreichen Anhänger geriet diese Endrunde zu einer aufregenden Angelegenheit. Die Hoffnung des FCK auf eine Endspielteilnahme erhielt schon im ersten Endrundenspiel gegen die SpVgg Fürth einen empfindlichen Dämpfer. Im neuen Südweststadion von Ludwigshafen mussten sich die Roten Teufel mit einem 2:2 begnügen, wobei sich der „Senkrechtstarter der Saison“, der 19-jährige Horst Eckel, für die beiden FCK-Tore verantwortlich zeichnete. Schlimmer war, dass nach dieser Begegnung dem FCK kein erstklassiger Torhüter mehr zur Verfügung stand. Karl Adam, der Stammtorhüter des FCK, hatte beschlossen Kaiserslautern zu verlassen, um in der neuen Saison bei TuS Neuendorf zwischen den Pfosten zu stehen. Trainer Richard Schneider hatte deshalb dem jungen, aus Mainz gekommenen Dieter Schaack im letzten Punktspiel der Saison und auch im ersten Spiel der Endrunde das FCK-Tor anvertraut. Enttäuscht und verärgert reiste Karl Adam nach Koblenz ab.
Trainer Schneider hatte jedoch übersehen, dass nach den damaligen Statuten des DFB Dieter Schaack wegen nur eines einzigen Einsatzes während der Oberligasaison noch keine Spielberechtigung für die Endrundenbegegnungen hatte. Die SpVgg Fürth legte Protest ein, Schaack wurde gesperrt und – wie auch der FCK – zu einer Geldstrafe verurteilt. Die Befürchtung, dass den Lauterern auch noch der eine Punkt aus dem Spiel gegen Fürth aberkannt werden würde, bestätigte sich zum Glück nicht.
Der FCK stand also ohne Torhüter da, doch Trainer Richard Schneider trat umgehend den „Gang nach Canossa“ an. Er fuhr nach Koblenz und bewegte Karl Adam, für die Endrundenspiele nach Kaiserslautern und in das Tor des FCK zurückzukehren. Adam sollte seinen Entschluss, sich mit Schneider und dem FCK zu versöhnen, nicht bereuen – in den nachfolgenden Spielen glänzte er wiederholt mit ausgezeichneten Leistungen und fand auch bei Bundestrainer Sepp Herberger Beachtung.
Im Hinspiel gegen Schalke 04 folgte die nächste Aufregung: Ottmar Walter erlitt einen Bandscheibenvorfall, der ihn für die letzten Endrundenbegegnungen außer Gefecht setzte – und es schien unsicher, ob der Torjäger beim Endspiel wieder zur Verfügung stehen würde.
Nach dem Unentschieden gegen Fürth konnte der FCK seine weiteren Heimspiele in Ludwigshafen gegen den FC Schalke 04 und den FC St. Pauli knapp gewinnen, entscheidend wurden schließlich die Auswärtssiege bei St. Pauli (2:4) und in Fürth (1:3). Der FCK stand als Gruppenerster im Endspiel, die 2:3-Niederlage bei Schalke 04 spielte keine Rolle mehr. Die Finalteilnahme verdankte der FCK in hohem Maße zwei Spielern, die jeweils sechs Tore in der Endrunde erzielt hatten: Dem jungen Horst Eckel, der erst in der Rückrunde der Saison zum Stammspieler gereift war und Werner Baßler, dem „Schützen vom Dienst“.
Als Endspielgegner des FCK hatte sich die Mannschaft von Preußen Münster qualifiziert. Die Münsteraner verfügten mit Gerritzen, Preißler, Schulz, Rachuba und Lammers über einen gefährlichen Angriff, den „100.000-Mark-Sturm“, während die Lauterer bangen mussten, ob der gerade rechtzeitig zum Endspiel am 30. Juni wieder genesene Mittelstürmer Ottmar Walter der Belastung in dieser wichtigen Partie gewachsen sein würde.
FCK-Trainer Richard Schneider vertraute in der Abwehr und Läuferreihe auf Torhüter Karl Adam, Helmut Rasch, Werner Kohlmeyer, Ernst Liebrich, Werner Liebrich und Heinz Jergens. Um einen weiteren Spieler als „Abfangjäger“ für den gefährlichen Preußen-Sturm aufbieten zu können, verzichtete Trainer Schneider auf seinen Linksaußen Karl Wanger und nominierte an seiner Stelle den vielseitigen Bernhard Fuchs als zusätzlichen Läufer. Wanger akzeptierte diese taktische Maßnahme schweren Herzens, ordnete sich aber vorbildlich der Entscheidung des Trainers unter. Der Sturm des FCK war folglich mit Horst Eckel, Fritz Walter, Ottmar Walter, Werner Baßler und Bernhard Fuchs besetzt.
Das von Schiedsrichter Reinhardt aus Stuttgart vor annähernd 90.000 Zuschauern im Berliner Olympiastadion geleitete Spiel sah in der ersten Halbzeit Vorteile und ein Chancenplus für Preußen Münster. Fritz Walter fand lange Zeit nicht wie gewohnt ins Spiel und auch von Werner Baßler ging nur wenig Gefahr aus. Lediglich der couragiert aufspielende Horst Eckel sorgte auf Rechtsaußen für Schwung im Lauterer Angriffsspiel.
Kurz nach dem Seitenwechsel war es Außenstürmer Gerritzen, der die Preußen bis dahin verdient nach einer sehenswerten Aktion in Führung brachte. In Rückstand geraten, wurde der FCK stärker und Fritz Walter zeigte sich nun als Kapitän und Kopf seiner Mannschaft. Sein Zuspiel konnte sein Bruder Ottmar per Flachschuss zum Ausgleich verwerten – und in der 74. Spielminute wuchtete erneut Ottmar eine Flanke von Fritz mit der Stirn zum umjubelten Siegestreffer in das Tor der Münsteraner. Die Abwehr des FCK um Werner Liebrich hielt dem Schlussspurt der Preußen bravourös stand, wobei Karl Adam mit einigen beherzten Paraden glänzen konnte – es blieb beim 2:1-Sieg für den 1. FC Kaiserslautern.
In der entscheidenden Phase des Spiels hatte sich Fritz Walter als überragender Spielgestalter präsentiert, Ottmar hielt trotz seiner Rückenbeschwerden tapfer durch und entschied mit seinen beiden Toren das Finale und Bernhard Fuchs hatte seine Sonderaufgabe ausgezeichnet erfüllt. Nach diesem packenden Endspiel durfte Fritz Walter erstmals die begehrte Meisterschale aus den Händen des DFB-Präsidenten Dr. Pecco Bauwens in Empfang nehmen und die Fanfarenbläser der „Schwarzen Rhythmiker“ aus Kaiserslautern ließen ihre Siegeshymne durch das Olympiastadion schallen.
Die Rückkehr der Walter-Mannschaft aus Berlin nach Kaiserslautern geriet zum Triumphzug. Per Flugzeug war es am Tag nach dem Endspiel nach Frankfurt gegangen, anschließend brachte die Bundesbahn den neuen Deutschen Meister nach Kaiserslautern. Um 18 Uhr traf der Zug am Hauptbahnhof ein, die Spieler wurden herzlich begrüßt, stiegen in offene, geschmückte Cabriolets um und fuhren durch die mit Fahnen und Transparenten geschmückte Stadt, in der zu diesem Zeitpunkt der Wiederaufbau nach dem Bombenkrieg erst begonnen hatte und noch lange nicht abgeschlossen war. Zehntausende aus nah und fern bereiteten den Meisterspielern, zu denen, wie Fritz Walter immer wieder betonte, natürlich auch Karl Wanger zählte, einen begeisterten Empfang auf dem Weg vom Bahnhof durch die Stadt zur Bismarckstraße und schließlich hoch zum Betzenberg. Nach der entbehrungsreichen Kriegszeit und den Not- und Hungerjahren hatte Kaiserslautern im Sommer 1951 endlich wieder Grund zur Freude. Kurz nach dem Gewinn der Deutschen Meisterschaft konnte das 675. Jubiläum der Verleihung der Stadtrechte durch König Rudolf von Habsburg gefeiert werden.
Bei der Begrüßung und Ehrung des Deutschen Meisters im Stadion Betzenberg bescheinigte Oberbürgermeister Alex Müller seinen „Betze-Buwe“, dass sie der Stadt zu ihrem Jubiläum kein schöneres Geschenk hätten machen können, als die Deutsche Meisterschaft zu erringen. Und er fügte hinzu, noch nie sei ein gekröntes Haupt oder ein Staatsmann so begeistert in Kaiserslautern empfangen worden, wie die Fußballspieler des FCK.
Fritz Walters großer Wunsch war glücklich in Erfüllung gegangen. Der Lauterer Kapitän und Nationalspieler stand kurz vor seinem 31. Geburtstag. War eine Steigerung des Erfolges für ihn und seine Kameraden möglich, überhaupt denkbar?
Hans Walter