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Länderspiel: UdSSR – Deutschland 3:2
21. August 1955, Moskau, 80.000 Zuschauer, ein Tor von Fritz Walter
Auf Einladung Sowjetrusslands kam am 21. August in Moskau das erste Länderspiel zwischen der sowjetischen Nationalmannschaft und dem amtierenden Weltmeister aus der Bundesrepublik zustande. Mit welchen Gefühlen mag Kapitän Fritz Walter diese Reise angetreten haben? Genau zehn Jahre zuvor sah er in einem sowjetischen Kriegsgefangenenlager einer düsteren Zukunft entgegen. Es waren aber Fußballkameraden aus der Wachmannschaft sowie der sowjetische Lagerkommandant, die Fritz Walter und seinen Bruder Ludwig vor dem Abtransport ins Innere des Sowjetreiches bewahrten und ihnen die vorzeitige Rückkehr in die Heimat ermöglichten.
Das sowjetisch-deutsche Länderspiel sorgte 1955 jedenfalls weltweit für Aufsehen. Moskau meldete damals einen Touristenrekord, denn 1.500 Deutsche wollten das „Spiel des Jahres“ miterleben. Erstaunlicherweise war die Bundesrepublik Deutschland durch keinen Staatsmann vertreten, wohl aber die DDR durch ihren Staatspräsidenten Wilhelm Pieck, der auf der Ehrentribüne Platz genommen hatte. Schiedsrichter der Begegnung war der WM-Final-Referee von 1954, William Ling aus England. Das konditionsstarke Kollektiv der Sowjetunion konnte gegen das deutsche Team in diesem kämpferischen, aber fairen Spiel in Führung gehen, doch Fritz Walter glich mit einem sehenswerten Treffer aus. Deutschland erzielte durch Hans Schäfer sogar die Führung; die Sowjets drängten fortan mit aller Macht auf den Ausgleich. Torhüter Fritz Herkenrath glänzte wiederholt mit schneidigen Paraden und Werner Liebrich war für den Kicker-Reporter der „Fels in der Brandung“ und für den Rheinpfalz-Berichterstatter der „Eckpfeiler der deutschen Abwehr„. In der Endphase der Begegnung vermochten die Sowjets ihre Chancen zu nutzen und zwei Tore zum 3:2 Sieg vorzulegen. Die deutsche Mannschaft, die auf ihre Weltmeister Toni Turek, Ottmar Walter und Werner Kohlmeyer verzichten musste, erhielt von der internationalen Presse für ihre Leistung hohe Anerkennung.
Nach dem Spiel lobten Fritz Walter und seine Kameraden den freundlich-korrekten Empfang in Moskau sowie die großzügige Gastfreundschaft. Wenige Tage nach dem Länderspiel traf der deutsche Bundeskanzler Dr. Konrad Adenauer mit seiner Delegation in Moskau ein, um über die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen und die Rückführung der noch in sowjetischen Lagern lebenden deutschen Kriegsgefangenen (mit Erfolg) zu verhandeln.
hw