Heute mag es surreal anmuten. Aber auch im Sommer des Kriegsjahres 1940 wurde in Deutschland Fußball gespielt. Sogar auf internationaler Ebene. Nur zweieinhalb Wochen nach Ende des Westfeldzuges trat eine DFB-Auswahl in Frankfurt gegen die Nationalmannschaft von Rumänien an. Mit dabei im Kader, der damals gerade erst 19-jährige Fritz Walter vom 1. FC Kaiserslautern. Knapp ein Jahr zuvor, Mitte März 1939, durfte der talentierte Ausnahmefußballer seinen ersten DFB-Lehrgang in Frankfurt absolvieren. Nur zwei Wochen danach, Ende März 1939, trug Fritz Walter bei einer Partie gegen eine B-Auswahl Italiens in einer B-Auswahl des DFB bereits erstmals das Trikot mit dem Adler auf der Brust. An diesem Sonntag, den 14. Juli 1940, folgte nun also sein wirkliches Länderspieldebüt mit dem ersten offiziellen Auftritt in der A-Nationalmannschaft.
Reichstrainer Sepp Herberger hatte im Vorfeld der Partie die Mannschaft kräftig verjüngt. Ein bewusster Schritt, auch mit Blick auf die Olympischen Spiele in Helsinki. Immerhin acht Akteure des im Vorfeld bekannt gegebenen 15-köpfigen DFB-Aufgebotes waren zu diesem Zeitpunkt gerade mal maximal 21 Jahre alt. Nominiert für die Partie in Frankfurt waren damals fürs Tor Alexander Martinek (Wacker Wien), Helmut Jahn (Berliner Sportverein) und Heinz Flotho (VfL Osnabrück). Für die Verteidigung nannte das Aufgebot Paul Janes (Fortuna Düsseldorf), Alfons Moog (Eintracht Frankfurt) sowie Alfred Pfänder (1. FC Nürnberg). Für die Läuferreihe Andreas Kupfer (FC Schweinfurt 05), Kurt Krüger (Fortuna Düsseldorf), Albin Kitzinger (FC Schweinfurt 05), Felix Zwolanowski (Fortuna Düsseldorf) und im Sturm Ernst Plener (Vorwärts Rasensport Gleiwitz), Wilhelm Hahnemann (Admira Wien), Gunther Baumann (Hannover 96), Fritz Walter (1. FC Kaiserslautern), Hans Fiederer (SpVgg. Fürth), Willi Arlt (Risaer SV). Auch in der Fachpresse wurde natürlich im Vorfeld kräftig spekuliert, wen Sepp Herberger letztlich in die Startelf berufen würde. Vor allem im Südwesten der Republik wurde dabei natürlich vor allem der Name Fritz Walter hoch gehandelt.
Die Rumänen waren bereits am Freitag vor dem Spiel angereist und seien den Berichten der damaligen Tagespresse zufolge unter anderem bei Äppelwoi mit den Annehmlichkeiten der Gastronomie des Frankfurter Stadtteils Sachsenhausen vertraut gemacht worden. Zudem hatten sich beide Mannschaften vor der Partie im Frankfurter Römer ins Ehrenbuch der Stadt Frankfurt eingetragen. Es war bis dahin das erst dritte Aufeinandertreffen. Im August 1935 hatte man Rumänien in Erfurt mit 4:2 geschlagen, im September 1938 in Bukarest gar mit 4:1. Gute Vorzeichen also, mit denen auch an jenem Sommertag im Juli 1940 der verjüngten deutschen Nationalmannschaft die Favoritenrolle zustand. In der endgültigen Aufstellung stand mit Alexander Martinek ein Hüne im Tor, der in Frankfurt sein erstes und leider auch letztes A-Länderspiel bestritt. Die Defensivreihe bildeten der Düsseldorfer Paul Janes und Alfons Moog, der im Waldstadion quasi vor einer Heimkulisse verteidigte. Die Läuferreihe bildeten die Schweinfurter Andreas Kupfer und Albin Kitzinger zusammen mit dem Düsseldorfer Kurt „Kutti“ Krüger. Im Sturm debütierten Fritz Walter und der im oberschlesischen Gleiwitz kickende Ernst Plener, die gemeinsam mit Willi Arlt aus Risa, Wilhelm Hahnemann von Admira Wien und dem Fürther Hans Fiederer auf Torejagd gehen sollten.
So wurden knapp 45.000 Zuschauer im Frankfurter Waldstadion Augenzeuge eines torreichen Spiels, bei dem die DFB-Auswahl die Rumänen mit 9:3 regelrecht vom Platz fegte. Ausgerechnet die jüngeren Akteure aus der Sturmreihe trumpften dabei besonders auf. Vor allem für Fritz Walter wurde das Spiel zu einer regelrechten Gala, bei der er immerhin drei Tore höchstselbst markierte und mit seiner ideenreichen Spielweise der Partie auch sonst immer wieder seinen Stempel aufdrückte. Den Torreigen eröffnete nach etwa 8 Minuten mit Ernst Plener ein weiterer Debütant. Nur wenige Minuten später baute Routinier Wilhelm Hahnemann, der an diesem Tag bereits sein 13. Länderspiel für Deutschland absolvierte, den Vorsprung auf 2:0 aus. Nach einer knappen halben Stunde stand es dann bereits 3:0, nachdem erneut Wilhelm Hahnemann seinen zweiten Treffer des Tages markiert hatte. Den vierten Treffer vor der Halbzeitpause markierte dann Fritz Walter nach einer feinen Flanke per Kopf. Das erste Tor von Fritz Walter in der deutschen A-Nationalmannschaft! Mit dem Vier-Tore-Vorsprung gingen die Mannschaften in die Kabine.
Nach der Pause pflegten die Gastgeber ihren Offensivdrang zwar weiter, doch das nächste Tor war den Gästen vorbehalten. Ein Strafstoß, den laut Kicker-Statistik Iliu Baratki zum 4:1 verwandelte. Auch wenn die Rumänen nun etwas mutiger nach vorne spielten, übernahm die deutsche Mannschaft wieder die Initiative. Eine Kombination zwischen Fritz Walter und Hans Fiederer führte dann zum 5:1 für Deutschland, das der Fürther nach feiner Vorarbeit von Fritz Walter markierte. Den Treffer zum 6:1, nur knapp eine Minute später, schreibt die Kicker-Statistik dann erneut dem jungen Ernst Plener zu. Das 7:1 etwa weitere drei Minuten später markierte erneut Hans Fiederer, der an diesem Tag sein drittes Länderspiel absolvierte und mit Fritz Walter vorne prächtig harmonierte. Mit einem sehenswerten Weitschuss gelang den Rumänen durch Silviu Ploeșteanu ihr zweiter Treffer des Tages. Doch nur wenige Minuten später war es erneut Fritz Walter, der mit seinem zweiten Tor den alten Abstand wiederherstellte und auf 8:2 erhöhte. Knapp 10 Minuten vor dem Ende sorgte ein erneut von Iliu Baratki verwandelter Strafstoß für das 8:3, das wiederum Fritz Walter fast im Gegenzug mit seinem dritten Treffer beantwortete und damit auf 9:3 erhöhte.
Kurz vor Spielende erzielte Fritz Walter sogar ein viertes Tor, dem der italienische Schiedsrichter Raffaele Scorzoni jedoch wegen einer angeblichen Abseitsstellung seine Anerkennung versagte. Aber auch so dürfte es für Fritz Walter ein unvergessliches Erlebnis gewesen sein mit bereits 19 Jahren ein derart erfolgreiches Debüt in der A-Nationalmannschaft absolviert zu haben. Die Fachpresse fand im Anschluss lobende und anerkennende Worte für den jungen Lauterer und prognostizierte schon da vereinzelt eine durchaus perspektivreiche Nationalmannschaftskarriere. Auch Sepp Herberger zeigte sich sehr zufrieden mit seinem Schützling. Fritz Walter war durch seinen auffälligen Debütauftritt, seine kreative Spielweise, seine Torerfolge in dieser vom Ergebnis her signifikanten Partie quasi auf Anhieb Stammspieler der deutschen Nationalmannschaft geworden. Es sollten noch viele Spiele im Trikot mit dem Adler auf der Brust folgen, darunter viele bis heute legendäre Partien. Es wären ohne den 2. Weltkrieg und dessen verheerende Folgen vermutlich noch zahlreiche Spiele mehr geworden.