In den Sommerferien 1997 weilten meine Frau und ich für zwei Wochen in Irland. Nach einigen Tagen in London und der Weiterfahrt nach Wales hatte uns das Fährschiff von Swansea aus nach Cobh gebracht und einige Kilometer weiter westlich davon bezogen wir unser Quartier in dem attraktiven Städtchen Kinsale an der Südküste Irlands.
Cobh und Kinsale hatten eine gewisse Berühmtheit erlangt, weil hier das legendäre Schiff „Titanic“ auf seiner Jungfernfahrt im April 1912 zum letzten Mal vor der verhängnisvollen Begegnung mit einem Eisberg vor Anker gegangen war — und weil im Mai des Kriegsjahres 1915 unweit des „Old Head of Kinsale“ ein anderer britischer Luxusliner, die „Lusitania“, von einem deutschen Torpedo getroffen und versenkt wurde, wobei 1.200 Menschen ihr Leben verloren haben. In unsere Ferienzeit unter irischem Himmel fiel 1997 der Start in die neue Bundesligasaison.
Die Spielplangestalter wollten es, dass unser FCK am 2. August 1997 sein erstes Spiel nach dem Wiederaufstieg in die höchste deutsche Spielklasse ausgerechnet beim amtierenden Meister FC Bayern München bestreiten musste. Viele Fragen schwirrten mir – wie auch vielen anderen FCK-Anhängern – an jenem 2. August durch den Kopf: War unsere von Otto Rehhagel trainierte Mannschaft nach der Rückkehr in die Erste Bundesliga stark genug, um den scheinbar übermächtigen Bayern Paroli bieten zu können? Würde eine deutliche Niederlage die Aufstiegseuphorie vernichten und wieder eine Krisensaison wie 1995/96 einleiten?
Quälend langsam verstrich der Nachmittag des 2. August 1997. Alle Versuche scheiterten, einen deutschen Sender im Radio zu erreichen. Natürlich brachte das irische Fernsehen keinen Hinweis auf den ersten Spieltag der deutschen Bundesliga – und zu allem Überfluss versagte das Telefon in unserer Ferienwohnung beim Anwählen einer Nummer in Deutschland. Diese Erfahrung beschleunigte unseren Entschluss, endlich ein Handy anzuschaffen.
Am nachfolgenden Sonntag versuchten wir ebenso vergeblich, das Ergebnis des FCK-Spiels in München zu erfahren – der kleine Supermarkt in Kinsale führte keine deutschen Zeitungen und das Telefon funktionierte immer noch nicht. Für den Montag setzten wir daher einen Besuch in der 30 Minuten entfernten Stadt Cork (Fußballfreunden ist der Verein Cork City ein Begriff) auf unsere Agenda. In einer 120.000-Einwohner-Stadt würden wir gewiss Sportzeitungen oder deutsche Blätter finden.
Wir gelangten im Zentrum von Cork in eine Einkaufsmall und entdeckten auch gleich einen Newsagent. Doch in dem breiten Angebot an Printmedien fand ich keine aktuelle deutsche Zeitung und in den irischen Sportblättern keinen Hinweis auf die Bundesliga und das FCK-Spiel. Wenige Meter hinter dem Newsagent stießen wir innerhalb der Mall auf drei Telefonzellen. Meine Frau hatte gleich das passende Kleingeld zur Hand und schon wählte sie die Nummer ihrer Mutter in Föckelberg. Die Verbindung kam zustande und nach einigen Sätzen reichte sie mir den Hörer weiter; am anderen Ende war ihr Bruder Bernd. Aufgeregt, doch gefasst, auch eine schlimme Nachricht mannhaft zu ertragen, fragte ich meinen Schwager, wie der FCK in München gespielt habe.
„Weißt Du das denn noch nicht?“, hörte ich seine Stimme, „der FCK hat gewonnen, 1:0.“ Ich vergewisserte mich, dass Bernd keinen schlechten Scherz mit mir treibt, aber er wiederholte seine Aussage und ergänzte sie mit dem Hinweis auf den Torschützen: Michael Schjönberg! Sekunden später wunderten sich die irischen Passanten in der Einkaufsmall über den „crazy German“, der mit den Worten „De Betze hat gewunn!“ einen Freudentanz aufführte und es dabei nicht an irischem Temperament mangeln ließ.
Obwohl ich nicht ahnen konnte, welche Folgen dieser eminent wichtige Auftaktsieg zur Saison 1997/98 haben würde, vermittelte mir die Nachricht aus Föckelberg für den Rest des Irland-Aufenthaltes ein angenehmes Gefühl der Freude und Zufriedenheit – und auf der Heimfahrt flatterte lustig und verheißungsvoll mein FCK-Schal aus einem Fenster unseres Wagens.