Im Rahmen der PRIDE WEEK KL 2017 hatten die Queer Devils und der 1. FC Kaiserslautern am Mittwoch, 10. Mai 2017, in den Presseraum des Fritz-Walter-Stadions zu einer Podiumsdiskussion eingeladen. FCK-Stadionmoderator Holger Schröder von Radio RPR1. diskutierte mit dem Stabhochsprungweltmeister Raphael Holzdeppe, dem Ex-Fußballprofi und Deutschen Meister von 1998 Martin Wagner, Rheinpfalz-Sportchef Horst Konzok und Sven Wolf, dem Ansprechpartner Homosexualität beim Badischen Fußballverband und Mitglied der AG Vielfalt beim DFB, über Entwicklungen der Umgangskultur im Profisport. Rund 60 Besucher lauschten den Erfahrungen, Erlebnissen und Sichtweisen der Akteure am Mikrofon, ehe im Anschluss noch eine lebhafte Diskussion mit dem Publikum entstand.
Neben dem Fußballsport stand durch den Stabhochspringer Raphael Holzdeppe vor allem auch die Leichtathletik im Fokus, die sich speziell bei der Umgangskultur vom Profi- oder auch Amateurfußball zunächst wesentlich unterscheidet. Doch auch hier halten neuerdings ungewohnte Umgangsformen Einzug. Dass Athleten vom Publikum ausgepfiffen würden, sei ein Phänomen, das es in der jüngeren Vergangenheit bei Wettkämpfen erstmals auch in der Leichtathletik gegeben habe. Ein Phänomen, das man dort bislang nicht kannte und das im Kreise von Athleten und Funktionären für viele Irritationen gesorgt habe, berichtete Raphael Holzdeppe. Die Regel sei dies glücklicherweise nicht. „Ich habe bei Wettkämpfen auch schon einen Lokalmatadoren geschlagen und trotzdem die Anerkennung des Publikums geerntet“, zeigte sich der Stabhochspringer, der für den LAZ Zweibrücken startet, irritiert über vereinzelte Zuschauerreaktionen. Ihm sei klar, dass es im Fußball scheinbar dazugehöre, dass die gegnerische Mannschaft gnadenlos ausgepfiffen würde. Für Leichtathleten eine eher verstörende Publikumshaltung. „Unser Sport verbindet traditionell eigentlich eher Menschen über Ländergrenzen hinweg. Es ist völlig unerheblich welcher Nationalität, Hautfarbe, Religion oder Sexualität jemand angehört. Das gilt es zu respektieren und Diskriminierungen gleich welcher Art dürfen im Sport keinen Platz haben“, appellierte Raphael Holzdeppe.“
Homophobie hingegen ist ein bis heute präsentes Phänomen, das sich im Grunde durch alle Sportarten zieht. Mit ein Grund, warum sich vor allem in Deutschland im Profifußball bisher kein aktiver Spieler geoutet hat. Das jüngste Outing eines homosexuellen Leichtathleten, habe auch ihn überrascht, räumte Raphael Holzdeppe ein. Stabhochsprungkollege Shawn Barber (22) aus Kanada hatte sich kürzlich öffentlich zu seiner Homosexualität bekannt. „Ich kenne ihn natürlich persönlich, aber von seiner tatsächlichen sexuellen Identität wusste ich bis zu seinem Outing auch nichts. Ich habe es auch erst über Facebook erfahren, habe ihm aber auch gleich geschrieben und ihn zu seinem offenen Bekenntnis beglückwünscht“. Ob dieser Schritt seiner Karriere nun abträglich sein würde oder seine Leistung beflügle, bleibe spekulativ. Entscheidend sei, dass er sich durch diesen Schritt besser und befreit fühle und das Versteckspiel für ihn nun ein Ende gefunden habe.
Eine beklemmende Lebenssituation sei ein solches teilweise jahrelang gepflegtes Versteckspiel allemal, merkte auch Sven Wolf vom Badischen Fußballverband an, der dort die offizielle Stelle des Ansprechpartners für Homosexualität innehat. „Es ist mir bis heute ein Rätsel, wie auch Leute wie Thomas Hitzlsperger über Jahre hinweg die Energie und die Disziplin aufbringen, so ein Versteckspiel durchzuhalten“, kommentierte Sven Wolf die perfide Situation, in der Betroffene offensichtlich feststecken müssen. Da es aber spekulativ bleibe, wie eine breite Öffentlichkeit auf ein Outing reagiere, müsse man hier einfach Verständnis haben und den Leuten die Entscheidung überlassen, den geeigneten Zeitpunkt und die Vorgehensweise für ein Outing selbst zu bestimmen. Nicht jeder hat auch das Leistungsformat eines „Hitz the Hammer“ und ein möglicherweise sich anschließender rauer Umgang, von welcher Seite auch immer, kann einen jungen Sportler durchaus auch aus der Bahn werfen.
In der Männerwelt ist es übrigens ein häufiges und gern gepflegtes Denkmuster, Heterosexualität grundsätzlich mit „Männlichkeit“ gleichzusetzen, während dem Homosexuellen das „Un-Männliche“ anhaftet. Auch über diese Denkmuster wurde im Rahmen der Diskussion gesprochen. „Ein rauerer Umgang untereinander herrschte bei uns im Profibereich früher in jedem Fall“, berichtete Martin Wagner und unterstrich seine Wahrnehmung mit unzähligen Anekdoten aus seiner aktiven Zeit, vor allem beim FCK. „Bei uns ging es auf dem Trainingsplatz bisweilen härter zu als heute in manchem Spiel. Nicht nur was den körperlichen Einsatz betraf, sondern auch den Umgangston“. Dennoch sei die Truppe, der er bei den Roten Teufeln immerhin acht Jahre lang angehörte, ein eingeschworener Haufen gewesen, wo sich trotz Frotzeleien und Pöbeleien untereinander jeder auf den anderen verlassen konnte. „Wir konnten uns alles sagen, aber wir sind hinterher dann trotzdem zusammen um die Häuser gezogen. Das hat was mit Respekt und Gesicht zeigen zu tun“. Eine Attitüde, die für ihn im Profibereich heutzutage scheinbar weitestgehend verloren gegangen sei. Aber solche Veränderungen träfen nicht nur auf die aktiven Sportler zu, das seien auch Entwicklungen in der Fankultur. Es nerve ihn schon lange, wenn er in den Kurven immer wieder die Szenen sehe, wenn sich junge Kerle beim Abbrennen ihrer Pyro-Show hinter Schals und Masken verstecken. „Dann sollen sie doch den Arsch in der Hose haben, sich zeigen und die Konsequenzen auch selber tragen“.
Es waren sich auf dem Podium auch alle einig, dass die heutigen technischen und medialen Möglichkeiten, Umgangskultur unter dem Deckmantel von Anonymität zu pflegen, eine erhebliche Mitschuld an tausendfachen Entgleisungen und Pöbeleien haben. In den Zeiten ohne Internet gab es die in der Quantität und Qualität einfach nicht. Wichtigste Maxime müsse hier immer der respektvolle Umgang miteinander sein. Doch auch die professionelle Medienarbeit habe sich merklich verändert, wusste Horst Konzok von der Rheinpfalz zu berichten. Natürlich bekomme auch er zuweilen Zuschriften oder Rückmeldungen mit fragwürdiger Wortwahl oder respektlosem Tonfall. Dennoch bleibe es für Journalisten auch eine Pflicht, wenn eine Mannschaft oder ein einzelner Spieler mal beschissen gespielt haben, das auch benennen zu können, ohne sich gleich einer Form von Anfeindungen ausgesetzt zu sehen, wie es dem Kollegen Marcel Reif vor einigen Jahren widerfahren war. Seriöser Journalismus sollte von ehrlicher Haltung getrieben sein. In Zeiten größerer Reichweiten mit Internet und sozialen Netzwerke dürfe man sich durch die vielfältigen und teilweise auch entgleisenden Rückmeldungen jedoch nicht von diesem Weg abbringen lassen.
Die regen und facettenreichen Gespräche am Mittwochabend zeigten nach rund zwei Stunden unermüdlichem Meinungsaustausch eines: Dass diese Diskussion noch lange kein Ende gefunden hat. Wenn man nach der Veranstaltung zumindest ein Fazit ziehen müsste, dann die Erkenntnis, dass Umgangskultur schlicht und ergreifend mehr gegenseitigen Respekt verlangt. Daran hängt für jeden einzelnen auch ein hohes Maß an Mitverantwortung. Das sollten sich alle vor Augen halten, die beispielsweise auch nur einen einzigen Satz in Fan-Foren, per Twitter, Facebook oder sonstigen sozialen Netzwerken in die Welt absetzen!
Vielen Dank an Matthias Gehring für den Beitrag