Der Flughafen Saarbrücken zeigt sich an jenem Sonntag von seiner ruhigen Seite, als ein junger Mann den Terminal betritt und sich suchend nach einem Ansprechpartner umblickt. Doch ist nicht eine anstehende Reise der Grund für die Fahrt ins Saarland, sondern eine Verabredung zwischen Thanos Petsos und einem Flugzeugkapitän der Cirrus Airlines, der den jungen FCK-Profi an diesem Nachmittag in die Berufswelt eines Piloten einweiht.
Doch bevor es zu den Flugzeugen der Cirrus Airlines geht, mit denen die Roten Teufel seit dieser Saison zu den weiter entfernten Auswärtsspielen fliegen, müssen sich Pilot wie auch Fußballer und die begleitenden Journalisten einer Kontrolle durch das Sicherheitspersonal des Flughafens Saarbrücken unterziehen. Also heißt es erst einmal Jacken aus und mitsamt aller Wertsachen, wie Handy, Schlüssel und mitgebrachter Tasche, auf das Fließband legen und durchleuchten lassen. Dem folgt die an Flughäfen übliche Leibesvisitation mit einem Metalldetektor. „Sicherheitskontrollen, oft mehrere an einem Tag, gehören zum Berufsalltag eines Piloten. Mit der Zeit gewöhnt man sich daran und weiß, welche Schuhe man besser nicht kauft“, erklärt Marc Reiter, Deputy Director Flight Operations bei Cirrus Airline, mit einem Augenzwinkern.
Thanos Petsos, der zu Saisonbeginn als Leihgabe von Bayer 04 Leverkusen zum FCK kam, hat seine Faszination für das runde Leder von seinem in Griechenland geborenen Vater geerbt und bereits im zarten Alter von acht Jahren beim Düsseldorfer Sport-Club 1899 mit dem Fußballspielen begonnen. Sein Talent blieb nicht lange unentdeckt und so wurde Thanos bei einem Turnier vom Bundesligisten Leverkusen gesichtet, der den Deutsch-Griechen verpflichtete. „Die hervorragende Jugendarbeit bei Bayer ist landesweit bekannt und ich kann mich glücklich schätzen, dort ausgebildet worden zu sein“, so der defensive Mittelfeldspieler.
Vom Jahr 2000 an durchlief Thanos bei Bayer alle Nachwuchsmannschaften und brachte es am 24. April 2010 noch als Jugendspieler zu seinem ersten Bundesliga-Einsatz für die „Werkself“. „Ich war davor schon vier Mal im Profikader und hatte keine Ahnung, dass ich an diesem Spieltag eingewechselt werden sollte. Nach dem Schlusspfiff hatte ich dutzende Anrufe und Nachrichten von Familie und Freunden auf meinem Handy, die mir alle zu meinem Bundesliga-Debüt gratulierten“, berichtet der 19-Jährige, für den mit der Einwechslung ein Kindheitstraum in Erfüllung ging. Sein Vorteil gegenüber anderen jungen Spielern ist nicht zuletzt seine Nervenstärke, die es ihm erleichtert, auf dem Platz Verantwortung zu übernehmen.
Den Traum vom Fliegen hegte auch Marc Reiter, als er sich trotz der schwierigen Ausbildung für den Beruf Pilot entschied und 1998 seinen ersten Flug absolvierte. Seit 2005 fliegt er für die in Saarbrücken ansässige Cirrus Airlines, die rund 400 Mitarbeiter beschäftigt und zur Zeit 15 Flugzeuge im Einsatz hat. „Die Mannschaft des FCK fliegt mit einer Dornier 328, einem zweimotorigen Kurzstrecken-Flugzeug, das bis zu 33 Personen plus 3 Crew-Mitgliedern Platz bietet“, erläutert Reiter im Hangar, in der die Fluggesellschaft zwei ihrer Maschinen zur Wartung stehen hat. „Neben Kaiserslautern fliegen wir auch die Bundesligateams des SC Freiburg, von Werder Bremen und Hoffenheim sowie das Eishockeyteam der Adler Mannheim.“ Auf Nachfrage von Thanos Petsos erklärt der stellvertretende Betriebsleiter, dass die Ausbildung zum Flugzeugführer zwei Jahre dauert, worauf eine vier- bis sechswöchige Spezialschulung und 100 Flugstunden unter Anleitung folgen. „In der Regel schaffen aber nur vier bis fünf Prozent der Pilotenschüler die Ausbildung und können anschließend bei einer Fluggesellschaft tätig werden“, so Reiter.
Ähnlich ergeht es vielen jungen Nachwuchsspielern, die nach dem Durchlaufen der A-Jugend eine Profikarriere anstreben und auf ein Leben im Fußballzirkus hoffen. Aus der U19 von Bayer Leverkusen, mit der Thanos Petsos im Frühjahr 2010 deutscher Vize-Meister wurde, schaffte es außer dem neuen Roten Teufel bisher nur Pierre-Michel Lasogga, sich bei der Hertha in Berlin einen Platz im Profifußball zu sichern. „Es bedarf harter Arbeit und viel Disziplin, um sich gegen die starke Konkurrenz durchzusetzen“, gibt Petsos zu bedenken. Einen großen Anteil haben dabei auch die Eltern des gebürtigen Düsseldorfers, die ihren Sohn zu jeder Trainingseinheit ins 30-Minuten entfernte Leverkusen fuhren und ihn auf Spielen so oft wie möglich begleiteten: „Es gibt bei Bayer zwar einen Fahrservice für Nachwuchsspieler, aber diesen konnte ich nicht nutzen, da es zeitlich nicht mit meinen Schulzeiten zu vereinbaren war. Ich bin meinen Eltern sehr dankbar, dass sie mir all das ermöglicht haben.“
Durch seine gute Leistung in der Leverkusener Jugend wurde auch der griechische Fußballverband auf Thanos aufmerksam, sodass er bereits sieben Einsätze für U19 und einen Einsatz für die U21 für sich verbuchen kann. Da der Rechtsfuß aber zudem über die deutsche Staatsbürgerschaft verfügt und sich noch nicht endgültig für ein Nationalteam entschieden hat, ist es auch gut möglich, dass sich die Lautrer Nummer 13 in der Zukunft für sein Geburtsland entscheiden wird. „Meine Mutter ist wie ich hier geboren und mein Vater ist mit 14 Jahren nach Deutschland gekommen, daher kann ich es mir absolut vorstellen, für das deutsche Nationalteam aufzulaufen, auch wenn ich bisher nur an griechischen Lehrgängen teilgenommen habe“, so Petsos.
Seine Wurzeln möchte er dennoch nicht missen, zumal seine Eltern auf eine zweisprachige Erziehung wert gelegt haben und Thanos perfektes griechisch spricht. Ferner lebt ein Teil der Verwandtschaft noch immer in der hellenischen Heimat: „Meine Familie stammt aus der Nähe von Thessaloniki und mit sechs Jahren bin ich zum ersten Mal mit meinen Eltern und meiner Schwester nach Griechenland geflogen. In den folgenden Jahren haben wir dort oft unseren Sommerurlaub verbracht.“ Es verwundert daher kaum, wenn er Aris Saloniki als seinen griechischen Lieblingsverein nennt, die im vergangenen Jahr ausgerechnet gegen Bayer 04 Leverkusen in der Gruppenphase der Europa League antraten.
Auf das Rollfeld des Saarbrücker Flughafens wird derweil die abflugbereite Dornier 328 gezogen, die Pilot Marc Reiter als Anschauungsobjekt für den jungen Fußballer ausgesucht hat. Zusammen bestreiten die beiden einen Rundgang um die Maschine, wobei ein sogenannter Trip-Ceck, eine technische Überprüfung des Flugzeugs, von Kapitän Reiter und seinem „Co-Piloten“ Petsos durchgeführt wird. „Bei den Reifen ist es wichtig, dass keine Schäden zu erkennen sind und keine Flüssigkeit aus der Hydraulik austritt. Bei den Triebwerken wird überprüft, ob die Schaufeln des Gebläses unbeschädigt sind oder ob es irgendwo ein Leck am Triebwerk gibt“, erklärt der erfahrene Flugzeugführer.
Anschließend geht es in das kleine Cockpit der Zweimotorigen-Maschine, die mit einer Vielzahl an Knöpfen, Monitoren und Hebeln in allen erdenklichen Farben vor den Sitzen sowie an der Decke beeindruckt. „Ganz schön unübersichtlich“, merkt der sichtlich nicht ungerührte Mittelfeldspieler an, nachdem er sich auf dem Platz des Co-Piloten auf der linken Seite der Pilotenkanzel niedergelassen hat. Doch Marc Reiter wäre keine guter Flugzeugführer, wenn er dem Laien Petsos die technisch komplizierte Bordtechnik nicht mit wenigen Worten verständlich machen könnte. „Ein Cockpit enthält mehrere Hundert Bedien- und Kontrollelemente für den Betrieb, die Steuerung, die Kontrolle, die Navigation, die Kommunikation und den Betriebsablauf. Jede Maschine hat Checklisten für jede Phase eines Fluges, die die notwendigen Einstellungen enthalten und überprüft werden müssen. Dabei herrscht zwischen den beiden Piloten eine strikte Aufgabenteilung.“
Die Tätigkeit eines Flugzeugführers bedarf, ebenso wie die eines Fußball-Profis, also der guten Zusammenarbeit mit den Kollegen, um erfolgreich zu sein. Durch seinen Einsatz in der Bundesliga und seine Leistungen in der Leverkusener A-Jugend wurden Vereine aus der Ersten und Zweiten Bundesliga auf den Deutsch-Griechen aufmerksam und so bekam Thanos zum Ende der vergangenen Saison eine Reihe von Angeboten, die schließlich zu den Roten Teufeln nach Kaiserslautern führten. „Die Gespräche mit Marco Kurz und Stefan Kuntz haben mich davon überzeugt, dass der FCK mir die beste Perspektive bietet, um mich fußballerisch weiterzuentwickeln“, erklärt der Düsseldorfer seine Entscheidung für den Wechsel in die Pfalz.
Dennoch war es für Thanos schwer, sich im Profikader der Roten Teufel einzufinden, da ihn eine Verletzung zurückwarf und er sich zunächst bei der zweiten Mannschaft durchsetzen musste. Schließlich wurde seine Arbeit belohnt und so gehörte er beim spektakulären 3:3 der Roten Teufel gegen den VfB Stuttgart erstmals zur Startformation. Seither ist er ein fester Bestandteil im defensiven Mittelfeld und hat mit Ausnahme der Partie gegen Schalke 04, in der er rotgesperrt war, alle Spiele absolviert. Die technischen Fähigkeiten des erst 19-Jährigen überzeugen genauso wie seine unaufgeregte und bodenständige Art, die ihn sowohl auf dem Platz, als auch im Privaten auszeichnet. Zudem genießt er das Vertrauen von Chefcoach Marco Kurz, der gerne auch für die kommende Saison mit ihm planen würde. Thanos Petsos kann sich ein weiteres Jahr beim FCK allemal vorstellen: „Ich habe mich von Anfang an in Kaiserslautern wohl gefühlt und wurde von den Jungs im Team gut aufgenommen. Hier kann ich durch Spielpraxis lernen und mich in der Bundesliga etablieren, das ist mein großes Ziel.“ Bei der Frage nach seinem Lieblingsverein gerät er zunächst ins Grübeln, doch schnell ist klar: „Beim FC Barcelona zu spielen, das wäre wirklich ein Traum.“
Diesen umzusetzen hängt von Thanos selbst ab, doch bevor es soweit kommt, muss er sich zunächst als Co-Pilot von Marc Reiter beweisen, der soeben die Erlaubnis vom Tower zum Start eines Triebwerks der Dornier 328 eingeholt hat. „Wir gehen jetzt die Checkliste durch und danach drückst du diesen Knopf, und ziehst den Hebel nach oben“, weist er Thanos an. Als hätte er nie etwas anderes gemacht, führt er die Anweisungen gekonnt aus und schon ist das rechte Triebwerk in Betrieb. „Das war gar nicht so schwer, bei unserem nächsten Flug mit der Mannschaft brauchen wir keinen Co-Piloten mehr, das mach dann ich“, gibt der Berufsfußballer mit einem Augenzwinkern von sich.
Die Übungseinheit im Cockpit neigt sich nach diesem Höhepunkt dem Ende entgegen und Kapitän Reiter begleitet seinen Gast aus Kaiserslautern wieder zurück ins Terminal des Flughafens Saarbrücken. „Vielen Dank für den Besuch bei Cirrus Arlines. Ich hoffe, Dich bald als Fluggast begrüßen zu dürfen. Bisher habe ich den FCK ja noch nicht geflogen“, verabschiedet sich der Deputy Director Flight Operations. Auch Thanos freut sich nach diesem spannenden Nachmittag auf ein Wiedersehen mit Marc Reiter und sichert zu, ihm dann auch einen ausgiebigen Besuch in der Pilotenkanzel abzustatten, um seinen zeitweisen Arbeitsplatz mal im „Höhenflug“ zu begutachten.