„Ein bisschen aufgeregt bin ich ja schon“, gestand der Stürmer der Roten Teufel als wir auf dem Parkplatz des Museums an einer riesigen Kernkraft-Turbine vorbeifuhren und die riesigen Flugzeuge über das Gelände ragten. In Empfang genommen wurden wir, neben zahlreichen Journalisten aus Presse und Fernsehen, von Corinna Handrich aus der Pressestelle des Technik Museums. Sie widmete sich fortan nur dem FCK-Profi und brachte Julian in einer persönlichen Führung das Museum näher. So ging es zu Beginn in die 25.000 m2 überdachte Halle, immerhin dreimal so groß wie der Rasen im Fritz-Walter-Stadion. Dort waren hauptsächlich Oldtimer, eine riesen Dampflok und verschiedene Objekte aus vielen Jahrhunderten technischer Entwicklung zu sehen waren. Mit großen Augen staunte der im pfälzischen Zweibrücken geborene Fußballprofi über die eine oder andere Anekdote, die ihm Corinna Handrich mit ihrer sympathischen Art erzählte.
Die beiden machten sich, losgelöst von der Journalistenschar, anschließend auf den Weg zum 150.000 m2 großen Freigelände des Museums. Dort nahm sich das Talent, nach dem er die ersten Eindrücke verarbeitet hatte, in einem russischen Kriegshubschrauber Zeit, um einige Fragen zu beantworten:
Julian, Du bist nicht das erste Mal im Technik Museum in Speyer. Was hat sich seit Deinem ersten Besuch verändert?
Das stimmt. Ich war als Kind schon mal hier, da war ich fünf oder sechs Jahre alt. Damals habe ich das Museum natürlich mit anderen Augen gesehen als jetzt. Es macht richtig viel Spaß und ist eine gelungene Abwechslung zum Fußballalltag. Wenn es die Zeit zulässt, komme ich auch ein drittes Mal hierher und werde mir alles nochmal in Ruhe angucken.
Gibt es hier im Museum irgendetwas, was Dich besonders interessiert?
Ich bin außerhalb des Fußballplatzes technisch eher nicht so begabt und gebe das grundsätzlich an meinen Kumpel weiter (lacht). Aber ich finde es faszinierend, was die Menschheit bis jetzt erschaffen und möglich gemacht hat. In der Zukunft werden wahrscheinlich auch noch einige, interessante Erfindungen dazu kommen. Da lass ich mich aber gerne überraschen.
Apropos Überraschungen. Wie überraschend kam für Dich Dein erster Einsatz in der Bundesliga beim FC Bayern?
Der Trainer hat vor dem Spiel mit mir gesprochen und gesagt, ich solle mir die linke Seite mal genauer anschauen. Ich hatte dann schon damit gerechnet und gehofft, vielleicht die letzten Minuten ins Spiel zu kommen. Aber dass es dann gleich eine halbe Stunde wurde, hätte ich nicht gedacht. Für mich war es etwas ganz Besonderes. Das waren Momente, die werde ich nie vergessen. Manchmal habe ich schon noch das Gefühl, als ob ich mich kneifen müsste. Es ging in den letzten Monaten alles sehr schnell. Hätte mir jemand im Sommer gesagt, dass ich zum aktuellen Zeitpunkt mehrere Bundesligaspiele bestritten habe, hätte ich den für verrückt erklärt. Nach der Saison, wenn ich zur Ruhe komme, werde ich das wohl alles erst realisieren.
Also ist für Dich ein Traum in Erfüllung gegangen…
Absolut. Es fühlt sich so an, als ob ich schlafe und nicht wach werde, aber das ist ja auch das Gute daran (lacht). Ich freue mich natürlich darüber, aber gleichzeitig hoffe ich auch, dass der „Traum“ nicht morgen schon wieder zu Ende ist und ich noch viele Jahre als Profi erleben darf.
Wann entstand der Gedanke, dass Du es zum Profi schaffen kannst?
Ich habe immer aus Spaß und Freude Fußball gespielt. Das war und ist für mich das Wichtigste. Ende der B-Jugend wurde mir dann aber klar, dass ich vielleicht Potential habe. Ich habe mir aber nie den Druck gemacht, es schaffen zu müssen, auch wenn ich sehr ehrgeizig bin.
Was hat sich seitdem für Dich verändert?
Ich werde das eine oder andere Mal auf der Straße erkannt und angesprochen, aber die Leute sind, trotz der aktuellen Situation, immer nett und freundlich. Ich muss mich erst noch daran gewöhnen, dass jemand von mir ein Foto oder Autogramm möchte (lacht). Ich habe immer noch denselben Freundeskreis, den ich letztes Jahr auch schon hatte. Das ist mir auch wichtig. Ich kann mich auf meine Freunde verlassen, die standen und stehen auch in schweren Zeiten hinter mir. Deshalb bin ich froh, dass ich sie habe.
Privat hat sich also nicht viel im Leben von Julian Derstroff verändert. Wie sieht es im sportlichen Bereich aus. Was waren die größten Umstellungen für Dich?
Ich musste mich von Null auf Hundert auf die robuste Spielweise, das hohe Tempo und die Intensität in der Bundesliga gewöhnen. Natürlich war das eine große Umstellung, aber ich bin froh, dass ich die Chance bekommen habe, direkt mit den Profis ins Sommertrainingslager nach Herxheim zu fahren.
Dann kam ziemlich schnell ein großer Rückschlag… Du hast Dich zum Ende der Vorbereitung verletzt.
Ich habe eine positive Vorbereitung gehabt und war guter Dinge, als plötzlich die Diagnose kam, dass ich am Fuß operiert werden muss. Das hat mich natürlich wie ein Schlag getroffen, weil ich wusste, dass ich mehrere Monate ausfallen werde. In dem Moment ist für mich eine kleine Welt zusammen gebrochen. Es war eine harte Zeit für mich als junger Spieler, aber meine Familie und meine Freunde waren für mich da und haben mich wieder aufgebaut.
Du sprichst Deine Familie an. Welche Bedeutung hat sie in Deinem Leben?
Ich bin froh, dass ich meinen Bruder habe. Er ist sechs Jahre älter und holt mich immer auf den Boden zurück, falls es den Anschein macht, dass ich in irgendeiner Form nachlässig werden könnte. Durch ihn bin auch erst überhaupt zum Fußball gekommen. Mit ihm bin ich früher immer Kicken gegangen und hatte so auch immer schon ältere Mit- und Gegenspieler. Wir haben ein sehr gutes Verhältnis und telefonieren täglich miteinander.
Im Sommer zieht es Dich von Zweibrücken nach Kaiserslautern…
Auch wenn ich mich zu Hause wohl fühle, ist es alles sehr stressig. Während die anderen morgens noch schlafen und zwischen zwei Trainingseinheiten zu Hause regenerieren können, muss ich mich erst ins Auto setzen und lange fahren. Daher habe ich mir vorgenommen im Sommer nach Kaiserslautern zu ziehen, außerdem bin ich mittlerweile auch alt genug (lacht).
Von den diversen Flugobjekten, wie dem russischen Kriegshubschrauber, der Antonov 22 (das größte Propeller-Flugzeug der Welt) und einer Boeing 747-„Jumbo Jet" ging es nun weiter zum riesigen Seenotkreuzer John T. Essberger, dieser bildet den südlichsten Stützpunkt eines Seenotkreuzers der 44-Meter Klasse. Von hoher See ging es für Julian und alle anwesenden Journalisten in die Raumfahrthalle. Dort wurden wir von dem riesigen Spaceshuttle Buran aus der russischen Raumfahrt empfangen. Der junge FCK-Stürmer zeigte sich beeindruckt und überwältigt zugleich. Eine gute Gelegenheit für ein paar weitere Fragen:
Du bist echter Pfälzer. Welche Bedeutung hat der FCK in Deinem Leben?
Ich bin mit dem Verein aufgewachsen, war immer Fan des FCK, war auch als Kind auch oft im Stadion und habe immer mit gefiebert. Wenn ich nicht auf dem Betze war, habe ich die Spiele im TV geschaut. Ich habe nur wenige Partien verpasst. Das ich jetzt selbst im Fritz-Walter-Stadion auflaufen darf, ist eine große Ehre für mich und macht mich natürlich auch Stolz.
Wie und wann bist Du dann zum FCK gekommen?
Ich bin zur E-Jugend aus Ixheim nach Kaiserslautern gewechselt. Schuld daran ist meine Mutter. Sie hat mich damals beim Talenttag im Nachwuchsleistungszentrum angemeldet, da habe ich einen guten Eindruck hinterlassen und bin dann gewechselt.
Welche Erinnerungen hast Du an die Zeit im NLZ?
Wir haben viele interessante Turniere gespielt, wo ich mich mit anderen Jungs in meinem Alter aus ganz Deutschland und auch Europa, messen konnte. Ein Highlight war das Finale um die Deutsche A-Junioren-Meisterschaft letztes Jahr gegen Wolfsburg, was wir leider verloren haben. Aber auch das Viertelfinale gegen Stuttgart und Halbfinale gegen 1860 München waren tolle Spiele vor vielen Zuschauern. Da habe ich bereits Blut geleckt (lacht).
Gab es Trainer in der Vergangenheit, die Dich besonders geprägt haben?
Alle Trainer, die mich bis jetzt begleitet haben, haben mich auf ihre eigene Art und Weise geprägt. Die intensivste Zeit habe ich mit meinem A-Jugend-Trainer Gunther Metz durchlebt, der mir das ein oder andere Mal auch in den Hintern treten musste, damit ich wieder in die Spur finde. Das brauche ich manchmal aber auch…
Kommen wir von der Vergangenheit zur Zukunft. Welche Ziele hast Du Dir gesetzt?
Als junger Spieler möchte ich mich in der Mannschaft und in der Bundesliga als Stammspieler etablieren, am liebsten mit dem FCK. Natürlich träume ich von internationalen Einsätzen oder einer Welt- oder Europameisterschaft. Aber das ist noch ein weiter Weg.
Hast Du Vorbilder, an denen Du Dich orientierst?
Ich habe Miroslav Klose und Olaf Marschall früher bewundert. Sie haben sich immer für den Verein rein gehangen und alles gegeben. Daran versuche ich mich auch zu orientieren. Sonst versuche ich mir viel von Christiano Ronaldo oder Lionel Messi ab zu gucken. Die spielen im Moment Fußball von einem anderen Planeten, das macht riesig Spaß.
Das sind Topstars, wie auch Arjen Robben. Das war Dein erster Gegenspieler…
Bei der Einwechslung habe ich mir schon Gedanken gemacht, wer gleich auf mich zukommen könnte. Nach einigen Minuten auf dem Feld blendet man sowas aber komplett aus, dann ist es ein Gegenspieler, wie jeder andere auch.
Stars gibt es beim FCK nicht. Mit wem verstehst Du Dich am besten aus der Mannschaft?
Mit den jungen Spielern verstehe ich mich natürlich besonders gut, viele kenne ich ja auch noch aus der Jugend. Aber auch mit den älteren und erfahrenen Spielern komme ich gut aus. Sie stehen mir immer zur Seite und reden viel mit mir. Besonders Anthar, der genauso wie meine Mutter aus Algerien stammt, hat immer ein offenes Ohr für mich. Aber auch Tiffi und Matze kann ich immer um Rat fragen.
Du sprichst Deine algerischen Wurzeln an. Welche „algerischen“ Eigenschaften zeichnen Dich aus?
Ich habe auf jeden Fall das algerische Temperament meiner Mutter geerbt. Das kommt mir auf dem Fußballplatz oft entgegen, da ich immer alle aus mir heraus holen will. Manchmal neige ich aber auch zu überdrehen, da muss ich mich besser im Griff haben. Aber insgesamt bin ich ganz zufrieden damit.
Letzte Frage: Wie nimmt man als junger Spieler eigentlich die Stimmung in den Bundesligastadien war?
Es ist ein absolut geiles Gefühl, das ist unbeschreiblich. Du stehst im Spielertunnel und mehrere tausend Fans schreien dir entgegen, das ist ein atemberaubendes Gefühl. Das ist Motivation pur. Mein schönstes Erlebnis war der Anschlusstreffer von Leon gegen Gladbach, da hat der Betze gebebt. Sowas habe ich zuvor noch nie erlebt. Danach wurde ich so gepusht, dass ich gar nicht müde werden konnte (lacht).
Die Führung im Technik-Museum neigte sich langsam dem Ende zu, als Corinna Handrich noch eine Überraschung für den Jung-Profi aus ihrem Büro holt. Ein Koffer mit allerlei Wissenswertem über das Museum und jede Menge Bild- und Videomaterial. Im Gegenzug hinterließ Julian selbstverständlich genügend unterschriebene Autogrammkarten und machte sich wieder auf den Weg nach Kaiserslautern, wo sein persönlicher Höhenflug in den nächsten Jahren weiter gehen soll.