Bis in die Verlängerung war überhaupt kein Klassenunterschied festzustellen. Dann schlüpfte zwar Bayer-Star Hakan Calhanoglu anstelle von Ruben Jenssen in die Rolle des Matchwinners, dennoch waren es wieder die Lautrer, die mit hoch erhobenem Kopf die Heimreise in die Pfalz antreten konnten. Trotz der 0:2-Niederlage nach Verlängerung war der FCK der gefühlte Sieger eines packenden und phasenweise hochklassigen Pokalfights.
In der 100. Minute wechselte Leverkusens Trainer Roger Schmidt zum dritten Mal aus und brachte Wendell für Sebastian Boenisch in die Partie. Ein linker Verteidiger aus Brasilien, den sich die Werkself im Sommer angeblich 6,5 Millionen Euro kosten ließ. Es sind solche Zahlen und Summen, die verdeutlichen, welche Gegner da am Dienstag eigentlich gegeneinander angetreten sind. Eine Klarstellung, die durchaus Sinn macht, denn wer die Partie im Stadion oder am Fernseher verfolgt hat, konnte wohl keinen großen Unterschied in der Spielstärke beider Mannschaften ausmachen.
“Wir haben Bayer über 90 Minuten Paroli geboten, hatten in der ersten Halbzeit sogar einen Tick mehr Chancen”, erklärte Cheftrainer Kosta Runjaic nach dem Schlusspfiff. Der Coach dürfte vor allem die Möglichkeit von Alexander Ring im Kopf gehabt haben, der nach rund einer halben Stunde per Kopf am stark reagierenden Leverkusener Schlussmann Bernd Leno gescheitert war. In Hälfte zwei war es dann Kerem Demirbay, der mit einem tollen Distanzschuss eine der besten Möglichkeiten der Partie auf dem Schlappen hatte. “Wir waren auf Augenhöhe”, sagte Tim Heubach trotz aller Enttäuschung auch durchaus stolz. Der Innenverteidiger spielte für den verletzten Dominique Heintz und war aufgrund seiner Kopfballstärke so etwas wie der Turm in der Schlacht in der Lautrer Defensive.
Die wurde mit zunehmender Spieldauer mehr und mehr gefordert. Kurz vor dem Ende der regulären Spielzeit musste Coach Kosta die jeweils angeschlagenen Kerem Demirbay und Simon Zoller auswechseln, und ganz allmählich neigte sich das Pendel zu Gunsten der Gastgeber. Karim Bellarabi war mit einem Lattenkracher schon dicht dran am 1:0, kurz darauf war es schließlich Calhanoglu, der mit einem seiner gefürchteten Freistöße den Unterschied machte. Marius Müller, im Pokal wieder anstelle von Tobias Sippel im Lautrer Kasten, war machtlos. Das Tor habe der Mannschaft zusätzlich zum sehr intensiven Spiel ein Stück weit Energie genommen, sagte Kosta Runjaic. Das 0:2 nach einem Missverständnis zwischen Kapitän Willi Orban und Müller durch Stefan Kießling war dann die endgültige Entscheidung.
Die rund 4.000 mitgereisten FCK-Fans hatten zu diesem Zeitpunkt längst wieder die Stimmungshoheit in der Arena übernommen und feierten Mannschaft und Verein trotz der nun feststehenden Niederlage. “Wenn man sieht, was hier los war, das hat uns richtig gepusht”, sagte Heubach zur Unterstützung. Tatsächlich bereiteten die Schlachtenbummler den Roten Teufeln über 120 Minuten und darüber hinaus ein gefühltes Heimspiel. Und so ging der Blick auch bei Ruben Jenssen direkt wieder nach vorne. “Heute sind wir ein bisschen enttäuscht”, sagte der Norweger: “Aber ab morgen geht es weiter.” Bei so viel Leidenschaft und Emotionen auf und neben dem Platz sind das nicht die schlechtesten Aussichten. Leidenschaft und Emotionen, die man sich nicht kaufen kann. Auch nicht für 6,5 Millionen Euro. Das unterstrich Jenssen auch mit seinem Post im sozialen Netzwerk Twitter, in dem er den FCK-Fans für ihre fulminante Unterstützung vor Ort dankte.
Am Tag nach dem kräftezehrenden Spiel versammelte Coach Kosta seine mannen auf dem Betzenberg. Für neun Spieler, die gegen Leverkusen zu wenigen bis gar keinen Einsatzminuten kamen, ging es auf den Nebenplatz des Fritz-Walter-Stadions, um dort mit dem Ball zu trainieren. Die restlichen Spieler legten den Schwerpunkt auf Regeneration, sei es mit Einheiten im Kraftraum oder bei kleineren Behandlungen. Richtig große Blessuren hat aber keiner der Roten Teufel davon getragen, lediglich Stürmer Simon Zoller wird noch an seinem linken Oberschenkel untersucht.