Es ist schon seltsam. Heutzutage, wo in unserer Gesellschaft beinahe jedermann unendlich viele Informationen zugänglich sind und Wissen nicht mehr von sozialer Herkunft abhängig ist, Bildung nicht mehr ausschließlich gut situierten Schichten zur Verfügung steht, wird man den Eindruck nicht los, dass immer mehr sogenannte Allgemeinbildung oder vieles, mit dem uns unsere Großeltern früher zu überraschen wussten, kaum noch jemandem bekannt sind.
Wer ist heute noch „borniert“? Wer macht denn noch „Fisimatenten“, steht „Spalier“ oder bietet etwas „wohlfeil“? In welcher Konversation taucht denn heute noch das Wort „Vestibül“ auf? Dabei ist keiner dieser Begriffe ein elitäres Fremdwort. Es handelt sich schlicht um in Vergessenheit geratene Worte, die vor nicht allzu langer Zeit noch sehr verbreitet waren.
Und was hat das mit Fußball im Allgemeinen und dem „Betze“ im Speziellen zu tun? Erst einmal rein gar nichts. Doch als im Nachgang des eindrucksvollen Erfolgs der Roten Teufel gegen 1860 München ein schwedischer Journalist vom Betzenberg als dem „Flur vor der Hölle“ sprach und versuchte, sein Bild auf Schwedisch, Englisch und ein wenig Deutsch zu erklären, fiel der Begriff „Vestibül“ und erzeugte Fragezeichen. Dabei passt er ganz großartig zum FCK. Zu einem Verein, dessen Wurzeln sich von Tradition und regionaler Verbundenheit ernähren. Ein Club, der Provinz und Weltoffenheit gleichermaßen repräsentiert. Eine Gemeinschaft, die nie einen Zweifel daran lässt, dass Menschlichkeit, Respekt, Toleranz und Nächstenliebe zu ihren Grundwerten gehört. Und dennoch ist ihre Heimstatt im „Vestibül der Hölle“ angesiedelt.
Wie hoch und heiß es im Vorhof der Hölle zugeht, haben die Münchner Löwen am Sonntagmittag sehr anschaulich vorgeführt bekommen. Vor den Augen von über 31.000 begeisterten Zuschauern brannten die Roten Teufel ein Feuerwerk von leidenschaftlichem Fußball ab und siegten hoch verdient nach Treffern von Marcel Gaus, Simon Zoller und Mo Idrissou mit 3:0. Manch einer rieb sich verwundert die Augen. Ist das die gleiche Mannschaft? Die gleichen Spieler?
Es ist eine Binsenweisheit, dass Fußball nicht nur mit den Füßen gespielt wird. Der Kopf spielt eine wesentliche und immer bedeutendere Rolle, denn das Abrufen seiner Leistung ist im Zeitalter von Shitstorm und Co. von immer rasanteren Komponenten abhängig. Zudem vergisst man gern einmal, dass ein Fußballer mit den gleichen Problemen zu kämpfen hat, wie jeder andere Arbeitnehmer oder Mensch auch. Die Leistungsfähigkeit eines jeden ist ganz besonders vom Vertrauen und Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten abhängig. Dabei spielen wirklich alle Komponenten rund um einen Spieler eine Rolle, seien es die Medien, die Familie, das Umfeld, die Fans und ganz besonders das Trainerteam.
Die Roten Teufel sind derzeit auf einem guten Weg. Die Mannschaft strahlt Zuversicht aus, hat ein klares Konzept, bringt ihre Qualität auf den Platz und die Auftritte der letzten drei Partien haben Fans und Spieler wieder zusammen gebracht. Nur so kann es gehen. Nur über diesen Weg geht es zurück in die „Beletage“ des deutschen Fußballs. Noch so ein vergessener Begriff… Aber das ist eine andere Geschichte.