Halb saß er da, halb zogen sie ihn hin. Ende der zweiten Hälfte richteten sich die Blicke in der Karlsberg Westtribüne nicht mehr nur aufs Tor, sondern auf den Zaun vor der Tribüne. Dort feuerte Gerald Ehrmann, seines Zeichens Torwarttrainer des 1. FC Kaiserslautern, zusammen mit den Fans die Mannschaft der Roten Teufel an. Ja, genau – unser Gerry. Doch der Reihe nach.
Was für eine Halbzeit! Die Stimmung war gut und vor allem laut – der schon erwähnte Hauch der Bundesliga wehte mit Wucht durch das Fritz-Walter-Stadion. Diese Stimmung übertrug sich auf den Rasen. Dort wirbelten beide Teams von Beginn an. Wie so oft in den Heimspielen des FCK ließen die Roten Teufel gleich durchsickern, wer Herr im Hause ist. „Wir haben sehr effektiv gespielt“, lobte Trainer Kosta Runjaic den Auftritt seiner Schützlinge.
Dass sich der 1. FC Nürnberg nicht hinten rein stellte und ebenfalls munter nach vorne spielte, wirkte für den FCK fast wie eine Befreiung. Während man in Berlin noch gegen eine Mauer angelaufen war, ergaben sich gegen die Franken ungeahnte Räume, die über die Flügel und in der Mitte genutzt wurden. Ob Kerem Demirbay durch das Zentrum oder Chris Löwe, Kevin Stöger sowie Jean Zimmer über die Außenbahnen – der FCK wirbelte von allen Seiten.
Glücklicherweise gab es keinen brotlosen (Kunst)-Wirbel und der Aufwand wurde endlich belohnt. Fast schon symbolisch für die Anfangsphase war das erste Tor der Roten Teufel. Nach einem Eckball von Kerem Demirbay wuchtete Kapitän Willi Orban den Ball per Kopf an die Latte, im Gewusel grätschte Alexander Ring am längsten und es stand 1:0. Die explosive erste Hälfte krönte Philipp Hofmann mit dem 2:0. Wiederum ging ein Lattentreffer voraus. Löwe sprintete an seinem Gegenspieler vorbei und drosch den Ball ans Aluminium. Hofmann bedankte sich und es stand 2:0. Zweimal Latte, zweimal getroffen – der 1. FC Kaiserslautern hatte sich das Glück in diesem Spiel erarbeitet.
Während die erste Hälfte viele Laufduelle und packende Torszenen bot, merkte man den Profis im zweiten Durchgang an, dass diese intensiven 45 Minuten einige Körner gekostet hatten. „Wir sind in die Kabine mit dem Wissen gegangen, dass wir zwar effektiv gespielt haben, dieses 2:0 aber ein gefährliches Ergebnis ist“, sagte Trainer Runjaic nach dem Spiel. Die Roten Teufel sicherten nun die Defensive und ließen Nürnberg etwas kommen. Doch bereits nach 55 Minuten der Schock: Willi Orban verzog das Gesicht und konnte nicht mehr weiterspielen. Ein dicker Knöchel war Schuld. „Wir alle wissen, dass Willi ein Kämpfer ist und nicht ohne Weiteres nicht mehr weiterspielen kann“, sagte Runjaic. Die Diagnose steht noch aus – es heißt also Daumen drücken für den Captain. Orban raus, Schindele rein. Der Youngster Michael Schindele hatte kaum Zeit zum Nachdenken und gab sein Debüt im Profifußball. „Michael hat seine Sache ordentlich gemacht“, lobte Runjaic.
Etwa 20 Minuten vor dem Ende plätscherte das Spiel vor sich hin und plötzlich fehlte einer: Torwarttrainer Gerry Ehrmann. „Plötzlich war der Gerry weg“, sagte Runjaic nach dem Spiel auf der Pressekonferenz. Doch was war Geschehen? Mitte der zweiten Hälfte verflachte nicht nur das Spiel, sondern auch etwas die Stimmung auf den Rängen. „Zu leise“, dachte sich wohl Gerry Ehrmann und marschierte in Richtung Karlsberg Westtribüne. Kurze Zeit später kletterte er auf den Zaun und peitschte zusammen mit den Fans die Mannschaft nach vorne. Ehrmann der neue Vorsänger in der Kurve? Eher nicht. „Das war wohl eine einmalige Sache“, sagte Runjaic.
Dass es am Ende nochmals (zumindest kurz) spannend wurde, lag an Alessandro Schöpf, der seinen 1. FC Nürnberg in der Nachspielzeit auf 1:2 heranbrachte. Zum Glück blieb es bei diesem fränkischen Strohfeuer.
Die heimische Siegesserie fortgeführt, punktgleich mit Darmstadt und Selbstvertrauen für das Derby in der nächsten Woche getankt. Am Sonntag, dem 22. März, um 13:30 Uhr bittet der Karlsruher SC zum Derby-Tanz. Und Gerry Ehrmann? Der wird hoffentlich nicht mehr im Block gebraucht, denn im Südwest-Schlager sollte für Stimmung genug gesorgt sein.