„Endlich mal wieder Tennis spielen“, freut er sich auf die Lehrstunde mit einem „Profi“. Man hört kaum ein Wort in der Halle, nur der Windzug von gelben Filzkugeln zischt immer wieder an einem vorbei. Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man meinen, es stehen sich zwei ebenbürtige Tennisspieler gegenüber. Doch einer der beiden ist Jan Moravek, von Beruf Profifußballer bei den Roten Teufeln. Der andere ist René Wegner, er war Tennisspieler in der höchsten Rheinland-Pfälzischen Jugendliga und besitzt die Trainer C-Lizenz. „Zum Einspielen bleiben wir erst einmal im kleinen T-Feld“, sagt der Tennislehrer zu seinem Schützling. Aber nach den ersten Ballwechseln wird René Wegner schnell klar, dass er es nicht mit einem Laien zu tun hat. Mit viel Ballgefühl und guter Technik beeindruckt Jan sein Gegenüber sehr schnell, sodass es nicht lange dauert, bis sie sich beide die Bälle um die Ohren schlagen. Der 21-jährige Tscheche nimmt leidenschaftlich gerne den Schläger in die Hand und lässt die kleinen Bälle fliegen. „Leider finde ich nicht immer die Zeit, zuletzt habe ich mit einem Kollegen bei der tschechischen U21-Nationalmannschaft Tennis gespielt“, so Moravek. Mit enormer Schlagkraft, beweglich auf der Grundlinie, schnell am Netz und guter Technik weiß er seinem Trainer zu gefallen.
Die gute Technik weiß auch Cheftrainer Marco Kurz an seinem zentralen Mittelfeldspieler zu schätzen: „Er ist sehr talentiert und hat unglaubliche Fähigkeiten am Ball.“ Die ersten Schritte machte der in Prag geborene Moravek bei Bohemians 1905 in seiner Heimatstadt. Mit sechs Jahren ging er mit seinem Kumpel Marek Stech, derzeit Keeper bei West Ham United und Mannschaftskollege in der U21-Nationalmannschaft Tschechiens, und mit vielen anderen Kindern zum Sichtungstraining des Prager Fußballclubs. Doch eigentlich wollte er damals lieber Tennis spielen. „Ich habe ungefähr ein halbes Jahr vorher mit Tennis angefangen“, sagt die Nummer 16 der Roten Teufel. Die Liebe zu der Rückschlagsportart hat er bis heute nicht verloren. In der Freizeit oder auch bei der Nationalmannschaft nutzt er jede Gelegenheit, sein Können unter Beweis zu stellen und sein Spiel wieder aufzufrischen. „Aber mein Vater meinte damals, ich soll zu dem Training der Bohemians einfach mal hingehen“, so Moravek. Eine gute Idee, denn bei Bohemians erkannte man schnell, dass in „Mora“, wie ihn seine Mitspieler rufen, viel Potential steckt.
Sowohl Moravek als auch sein Gegenüber sind außer Atem. Nach einigen intensiven und schnellen Ballwechseln machen sie eine kleine Pause und gönnen sich einen Schluck aus der Flasche. „Du hast alle Schläge drauf, allerdings kannst du deine Rückhand noch verbessern. Die ist ein bisschen spät, der Ball ist dann zu nah am Körper“, erklärt Wegner seinem Schüler in der Pause und zeigt ihm, wie er sich besser zum Ball stellen soll. Vom Neu-Teufel kommt ein zustimmendes Nicken und weiter geht’s auf dem Platz. Jetzt ist das Einspielen vorbei, ab jetzt geht es um Punkte. Mora hat Aufschlag, zu Beginn gleich ein Doppelfehler – schlechter Einstand. Doch der Tscheche weiß sich zu helfen. Mit Übersicht und einer guten Vorhand lässt er seinen Gegner laufen. Nach Anfangsschwierigkeiten geht der Tscheche 40:30 in Führung. Er spielt die Filzkugel präzise ins lange Eck, geht vor ans Netz und bringt mit einem Volleyschlag das 1:0 unter Dach und Fach. „Alles, was er macht, hat Hand und Fuß“, so Wegner.
Das erkannten auch die Trainer in Prag, die Moravek aus vielen Talenten auswählten und verpflichteten. Aber bevor er seine ersten Minuten im FCK-Dress absolvieren konnte, musste er einige Entscheidungen treffen. Bis zu seinem 16. Lebensjahr spielte der FCK-Kicker parallel zum Fußball weiterhin Tennis. Dass der sympathische Profi sich letztendlich für die große Lederkugel entschied, verdankt er seinem Vater Tomas. Der war es auch, der seinem kleinen Sohn vor rund sieben Jahren das erste Mal den „Betze“ zeigte. „Ich war damals zu einer kurzen Dienstreise in der Umgebung und habe meine Frau und Jan mitgenommen. Egal wo wir waren haben wir uns Fußballstadien angeguckt. Ich kann mich erinnern, dass er ziemlich enttäuscht war, weil er kein FCK-Trikot kaufen konnte, da der Fanshop geschlossen war“, erzählt Tomas Moravek. Egal welche Stadt Moravek in seiner Kindheit besuchte, ihn interessierte nur Fußball. „Ich wollte am liebsten in jeder Stadt ein Stadion sehen und mir das Trikot des Clubs kaufen“, erzählt der junge Profi. Im Juli 2010 hatte Mora dann auch endlich sein FCK-Trikot. Und zwar nicht irgendeins, sondern sein eigenes, beflockt mit seinem Namen und seiner Nummer.
Nach der Tennisstunde lernt Jan auch noch eine andere, neue Sportart kennen. In der Halle der TU Kaiserslautern wird Kopfballtischtennis oder auch „Headis“ gespielt. René Wegner ist der Erfinder dieser neuen Trendsportart, die es seit 2006 offiziell gibt. Seitdem gibt es eine Deutschlandweite Turnierserie und auch Weltmeisterschaften werden schon ausgespielt. Wegner promoviert zurzeit in Fach Sport an der TU Kaiserslautern und den größten Teil seiner Freizeit widmet er „Headis“. Im Moment wird der 28-Jährige auf Position sieben in der Weltrangliste geführt. Der FCK-Mittelfeldspieler lernt nach anfänglichen Schwierigkeiten schnell dazu und ist nach der guten Tenniseinheit voller Tatendrang: „Komm, spielen wir einen Satz!“ Aber diesmal hat Mora nichts zu lachen, mit 11:2 muss er sich dem Profi geschlagen geben. Jetzt packt ihn der Ehrgeiz, das will er nicht auf sich sitzen lassen – Revanche. Aber auch im zweiten Spiel hat der junge Tscheche keine Chance, 11:5 lautete das Endergebnis. „Es ist schon komisch gegen den Erfinder des Spiels anzutreten“, gibt er nachher lächelnd zu.
Bevor Moravek für die Roten Teufel in der Bundesliga auflief, hieß seine erste Station in Deutschlands höchster Spielklasse Schalke 04. Im Januar 2009 luden ihn die „Knappen“ zu einem Probetraining ein. Er überzeugte und der damalige Trainer Fred Rutten hätte ihn am liebsten sofort behalten. „Ich sollte zurück nach Prag fahren, meine Sachen holen und dann direkt zurück nach Schalke kommen“, so der Mittelfeldstratege. Doch der 21-Jährige sagte den Königsblauen ab und konzentrierte sich erst einmal auf sein Abitur in Prag. „Die Karriere kann schnell zu Ende sein, deshalb war mir der Schulabschluss sehr wichtig“, erklärt er. Nachdem er das Abitur erfolgreich bestanden hatte, klappte es auch im zweiten Anlauf mit dem Vertrag in Schalke. Doch nach der Unterschrift folgte der Umbruch bei den Blau-Weißen und mit Felix Magath kam ein neuer Trainer ins Ruhrgebiet.
„Natürlich kommt ihm das Ballgefühl zu Gute. Er hat schnell dazugelernt, die Tipps gut angenommen und umgesetzt“, bekommt Moravek vom Profi ein dickes Lob. Auch dem Tschechischen Jung-Nationalspieler hat es sehr viel Spaß gemacht: „Es ist eine interessante Idee. Ich glaube, ich werde es noch öfter ausprobieren.“ Im Tennis konnte er dem „Profi“ noch Paroli bieten und war sogar besser, im Headis dagegen war er deutlich unterlegen und musste sich geschlagen geben.
Unter Felix Magath fand Jan Moravek nicht die Bindung zur Mannschaft, wurde teilweise als rechter Verteidiger eingesetzt. Umso glücklicher ist der Tscheche, dass er in Kaiserslautern eine neue Heimat gefunden hat und endlich sein Können in der Bundesliga unter Beweis stellen kann. „Ich fühle mich sehr wohl, der Verein, die Stadt und das Umfeld passen einfach zu mir. Ich bin einfach glücklich, hier zu sein. So kann ich dann auch gute Leistungen zeigen“, beschreibt Mora seine Gefühlslage. Der familiäre Rückhalt war ihm schon immer wichtig, so freut er sich auch, dass Kaiserslautern näher an Prag liegt als Gelsenkirchen, auch wenn er wenig Zeit findet, in die Heimat zu fahren. In der Pfalz unterstützt ihn seine Freundin. Sie studiert Journalistik und Psychologie in Brünn, der zweitgrößten Stadt seines Heimatlandes. „Sie ist aber die ganze Zeit hier, muss nur einmal im Monat nach Tschechien fahren“, erklärt er.
So wie ihm jetzt seine Freundin zur Seite steht, hatte er in Prag seine Familie an seiner Seite. „Wann immer es möglich ist, kommen sie zu unseren Spielen“, so Moravek. Eine entscheidende Rolle in seiner Entwicklung spielte auch seine ältere Schwester, die ihm viel geholfen und immer unterstützt hat. „Ihr habe ich sehr viel zu verdanken“, sagt Moravek sehr stolz. Seine Freundin war tschechische Meisterin im Turmspringen, musste ihre Karriere aufgrund einer Rückenverletzung allerdings an den Nagel hängen. „So konnte ich sie aber von der Faszination Tennis überzeugen“, erklärt er schmunzelnd. „Wann immer es unsere Zeit zulässt, gehen wir Tennis spielen, das macht uns ja jetzt beiden Spaß“, so Moravek weiter. Spaß wird er den Fans der Roten Teufel auch hoffentlich im weiteren Verlauf der Saison machen und vielleicht ja sogar länger. Denn jede Entscheidung hat bei Jan Moravek bekanntlich „Hand und Fuß“.