Aber von den konservativen öffentlich-rechtlichen Rundfunksendern war nichts Neues zu erwarten, der amerikanische Rock’n‘Roll kam dort, wie auch im Fernsehen, nicht vor. Dass jemand einen echten Rock’n‘Roll-Star auf Platte hatte, war etwas ganz Besonderes. An der formschönen Musiktruhe im trauten Heim durfte die aber meist auch nicht aufgelegt werden, sonst gab es Ärger mit den Eltern. „Zu viel Afrika und zu wenig Bavaria“, schimpfte die ältere Generation. Selten auch, wenn sich mal ein Rock’n’Roll-Hit in eine deutsche Jukebox zwischen all die Schlagerstars mischte. So war AFN, der auch in Kaiserslautern zu hörende amerikanische Radiosender, ein Segen für alle, die sich mit den neuen Rhythmen und Klängen verbunden fühlten.
Doch es gab auch deutsche Rock’n‘Roll-Stars, die den Sound mit deutschen Texten kombinierten und somit öffentlichkeitskompatibler waren. Neben Ted Herold war das vor allen Dingen Peter Kraus. Der Sohn eines Regisseurs und Kabarettisten wurde bekannt als „Johnny“ in dem berühmten Film „Das fliegende Klassenzimmer“ aus dem Jahr 1954 nach dem Buch von Erich Kästner. Danach startete Kraus seine Musikerkarriere mit einer deutschen Version von Little Richards „Tutti Frutti“. Sage und schreibe 36 Titel brachte er innerhalb von vier Jahren heraus. Oft machten sich die Singles gegenseitig Konkurrenz. Peter Kraus verkaufte insgesamt 12 Millionen Exemplare – Zahlen von denen heute die meisten Stars im digitalen Zeitalter nur noch träumen können. 1957 kam der deutsche Rock’n’Roll-Star zum ersten Mal in die TopTen der Hitparade und hielt sich lange Jahre erfolgreich. Von 1959 bis 1962 räumte er jedes Jahr den „BRAVO Otto“ ab. Das Nachspielen, neudeutsch „covern“, von amerikanischen Titeln mit deutschen Texten wurde zur Erfolgsmasche. Gleichzeitig avancierte Kraus zu Beginn der sechziger Jahre zu einem der beliebtesten Leinwandhelden und konnte sich immer mehr von seinem Vorbild Elvis weg hin zur eigenen Persönlichkeit entwickeln. Doch anders als der amerikanische Star blieb Peter Kraus bodenständig und tritt bis zum heutigen Tag auf. Seit Anfang Oktober befindet er sich auf großer Abschiedstournee, auf der er bis Mai nächsten Jahres 50 Konzerte geben wird. 33 Filme zählt seine Biografie, der letzte aus 2013.
Die Streifen aus den Fünfzigern konnte man in den zahlreichen Kinos der Barbarossastadt sehen: Im „Capitol“ (heutige Diskothek Flash), im „Filmpalast“ am Altenhof, dessen vorheriger Bau nach dem Krieg bis 1995 für das Pfalztheater genutzt wurde, im „Gloria“ in der Fackelstraße, im „Lumina“ in der Altenwoogstraße, im „Rex“ in der Riesenstraße, im „Aladin“ in dem heutigen Supermarkt am Pfaffplatz, in den immer noch bestehenden „Union“ (seit mehr als hundert Jahren) und „Central“ sowie ab 1957 im Universum, das Fritz Walter durch einen Kredit des FCKs unter Protest des DFBs bauen konnte.
Zeitzeugen sagen: Peter Kraus galt neben Fritz Walter als das zweite Jugend-Idol der Wirtschaftswunderzeit. Auch in Kaiserslautern war die Popularität von Peter Kraus dank der Kinos groß.
Selbst ein eigener Fanclub wurde ihm zu Ehren in Kaiserslautern gegründet. Prominentes Mitglied in den Fanclub-Reihen: der ehemalige FCK-Präsident Norbert Thines. Das schon lange abgerissene Lokal „Stadt Alzey“ am Mainzer Tor, an der Ecke, wo sich in den letzten Jahren „Harrys Giftshop“ befand, war der Treffpunkt der Peter-Kraus-Anhänger. Dass gerade diese Wirtschaft dazu avancierte, hatte noch einen zweiten Grund. „Der Wirt hatte zwei hübsche Töchter“, verrät Thines. Dort hörte man Peter-Kraus-Lieder und traf sich auf ein Getränk, viel mehr konnte man sich nicht leisten. „Damals waren wir ja alle noch bettelarm“, erinnert sich Thines an seine Jugend. Und konnte man sich einen Kinobesuch erlauben, dann war es das Union Filmtheater, in dem der Peter-Kraus-Fanclub die ersten Filme sah. „Ich war ja überall dabei“, lächelt die FCK-Ikone verschmitzt. Noch bis heute ist der „Hans Dampf in allen Gassen“ gerne in geselliger Runde. „Vielleicht meldet sich mal jemand aus jenen Tagen“, hofft Thines auf ein Schwelgen in Erinnerungen.
Der Autor:
Jens Vollmer ist Begründer und Saxophonist der im Großraum bekannten Band Brass Machine. Er betrieb zwölf Jahre das bundesweit mit Regionalteilen erschienene Musikmagazin „Feedback“, im Anschluss das Kaiserslauterer Stadtmagazin „INSIDER“. Seit Anfang 2013 ist er verantwortlicher Redakteur des Wochenblatts Kaiserslautern.