Fotos und Filmdokumente vom triumphalen Empfang der Weltmeistersmannschaft 1954 zeigen einen strahlenden Werner Kohlmeyer sowohl am Fenster des Sonderzuges, als auch – gemeinsam mit Sohn und Tochter – im blumen-geschmückten Cabrio bei der Jubelfahrt durch Kaiserslautern. Auch abseits vom Fußball war Werner Kohlmeyer ein sportliches Multitalent. Bei Leichtathletik-Wettkämpfen erreichte er in den frühen Vierzigerjahren herausragende Platzierungen im Weit- und Hochsprung. Nach dem Krieg wurde er sogar Pfalzmeister im Fünfkampf. Besonders gerne und ausdauernd spielte er auch Tischtennis.
Mit seiner Schnelligkeit, seiner Technik, seinem kämpferischen Einsatz und seiner Kopfballstärke war er wie gemacht für die Rolle des linken Verteidigers. Aber auch offensiv bewies er das ein oder andere mal mit wichtigen Toren seine Qualitäten. Seinen Kriegseinsatz ab 1943 überstand Kohlmeyer unbeschadet und nach Kriegsende kehrte er – ähnlich wie Fritz und Ludwig Walter – bald in seine Heimatstadt zurück. Als Fritz Walter 1945 mit dem Aufbau und Training einer neuen FCK -Mannschaft begann, gehörte Werner Kohlmeyer bereits zu den Stützen der künftigen „Walter-Elf“.
Beruflich fand der gelernte Lohnbuchhalter eine sichere Anstellung bei der Kammgarnspinnerei Kaiserslautern. 1946 heiratete er seine Carola; ein Junge und zwei Mädchen gingen aus der Ehe hervor. Nach den Meisterschaften mit seinem FCK erlebte Werner Kohlmeyer mit dem Triumph von Bern den Höhepunkt seiner Karriere; er erhielt Anerkennung in jeder nur denkbaren Form – und ein glückliches Leben schien sich für ihn abzuzeichnen. Doch es sollte ganz anders kommen.
Nach der glorreichen Rückkehr aus der Schweiz wurde die Familie Kohlmeyer mit Geschenken überhäuft, wie sich seine Kinder erinnern. Neben einem Kühlschrank, einer Waschmaschine, einem Staubsauger und einem Fernsehgerät gab es sogar einen Goggo-Roller.
„Unser Vater und auch die anderen Weltmeister waren nicht darauf vorbereitet, wie man mit dem Ruhm und all der Aufmerksamkeit umzugehen hat“, sagt seine Tochter rückblickend. Werner Kohlmeyer, von Tochter und Sohn übereinstimmend als liebevoller Vater bezeichnet, der mit seinen Kindern gerne Ball und Tischtennis spielte, gelegentlich einmal musizierte, Wild-West-Romane verschlang und Süßspeisen liebte, veränderte sich.
Seine Leidenschaft für das Skatspielen steigerte sich unaufhaltsam. Erhöhter Alkohol- und Zigarettenkonsum waren die unheilvollen Begleiterscheinungen. Falsche Freunde und gewissenlose Schulterklopfer verleiteten ihn weiter zum Glücksspiel. Kohlmeyers Gutmütigkeit wurde ihm zum Verhängnis.
Der von ehemaligen FCK-Spielern und Bekannten als vorbildlicher und zuverlässiger Kamerad, der im Spiel oft – wie auch im Endspiel von Bern – als „Retter in höchster Not“ geschilderte Kohlmeyer verlor immer mehr den Halt und das führte am Ende zum Verlust des Arbeitsplatzes. Schließlich zerstritt er sich mit seinem Trainer Richard Schneider. 1957 verließ Kohlmeyer den Betzenberg. In seiner großartigen Laufbahn hatte er 262 Oberliga- und 38 Endrundenspiele für den FCK bestritten und 22 Einsätze für die Nationalmannschaft absolviert. Bis 1960 war er noch beim FC Homburg und in Bexbach am Ball, ehe er 1963 beim SV Morlautern seine Fußballerkarriere beendete.
Werner Kohlmeyers Suchterkrankung führte in die soziale Isolation. „Alles, was er besaß, hat er verzockt, zwei Häuser wurden verspielt“, erinnert sich seine Tochter. Leidtragende waren sein Frau und die Kinder. 1965 wurde die Ehe geschieden. Freunde, die ihm helfen wollten, wehrte er aus falschem Stolz oder Schamgefühl ab. Sepp Herberger vermittelte ihm noch einmal eine Arbeitsstelle – vergebens. Krankheitsbedingt konnte er seine eigene Situation nicht mehr realistisch einschätzen; einer dringend notwendigen Entziehungskur nicht mehr einwilligen.
Werner Kohlmeyer verließ Kaiserslautern. Selbst seine Kinder und sein Freund Fritz Walter wussten längere Zeit nicht, wo er sich aufhielt. Als Bauhilfsarbeiter schlug er sich durch, ehe er als Pförtner in einem Verlagshaus in Mainz eine Anstellung fand, die ihm eine neue, eine letzte Chance eröffnete. Es schien, als könne Werner Kohlmeyer wieder in geordnete Bahnen zurückfinden. Seine Mutter zog zu ihm in die kleine Wohnung nach Mainz, um ihn zu unterstützen, zu versorgen. Er gewann Abstand vom Alkohol und gestand sich ein, dass die Zeit seines größten sportlichen Triumphes seinen Absturz einleitete. „Alles, was danach kam, war wie ein einziges vergeudetes Wochenende“, soll er gesagt haben.
In den frühen Morgenstunden des 26. März 1974 starb Werner Kohlmeyer in seiner Wohnung in Mainz nach einer Herzattacke – kurz vor seinem 50. Geburtstag. Werner Kohlmeyer, der untadelige Sportsmann und großartige Fußballer, hat es gerade vor dem Hintergrund seiner einmaligen Leistungen wie auch seines gebrochenen Lebensweges verdient, in bester Erinnerung behalten zu werden: Als liebenswerter, gutmütiger und hilfsbereiter Kamerad und Mensch; ein glänzender Fußballspieler, der mit seinen Rettungstaten auf der Linie im Weltmeisterschaftsendspiel von 1954 half, den Triumph der deutschen Mannschaft zu sichern. Auch 43 Jahre nach seinem Tod erinnern sich alle FCK-Freunde in Dankbarkeit an Weltmeister Werner Kohlmeyer.