Im tiefen Südosten der Hauptstadt haben sie die Andersartigkeit über Jahre kultiviert. Zu DDR-Zeiten war das hier der Dissidentenclub, der – anders als der von Staats wegen protegierte BFC Dynamo – zwar keine Pokale gewann, dafür aber die tiefe Zuneigung einer kleinen Schar Unverwüstlicher, der eigenen Fans.
Das Stadion heißt immer noch Alte Försterei und bietet auf drei Seiten vor allem eins: Stehplätze. 17.910 von 21.717 Plätzen insgesamt. Auch das ist etwas, was sich niemand sonst in den oberen Ligen leisten will. Den »Gegenentwurf zum Event-Mainstream« nennen sie sich selbst.
Trotz dieser Besonderheiten seiner Heimstatt hat sich der 1. FC Union in dieser Spielzeit bislang vor allem auswärts als sehr gefährlich erwiesen. Erst am 13. Spieltag musste das Team von Uwe Neuhaus außerhalb Berlins die erste Niederlage hinnehmen – die mit 0:4 beim 1. FC Köln jedoch gleich heftig ausfiel.
Durch diese Pleite und dem folgenden 0:0 vor eigenem Publikum gegen den Karlsruher SC ist Union vorerst wieder aus den Aufstiegsplätzen gefallen – und rangiert punktgleich mit dem FCK auf Platz vier. Dabei träumen sie insgeheim von mehr, denn mittelfristig soll es für den Verein auch mal in die Bundesliga gehen, für die nun strukturell erstmals die Voraussetzungen geschaffen sind.
Planen lässt sich so was freilich schwer. Der 1. FC Kaiserslautern, der nun binnen elf Tagen zweimal Gegner ist, zunächst in der Liga, dann im Pokal in Berlin, ist da vielleicht genau der richtige Gradmesser zur rechten Zeit. Nach den Duellen werden sie wissen, wo sie stehen, so oder so.
In den vier Jahren seit dem Aufstieg ist sonst am Ende immer ein stabiler Mittelfeldplatz herausgekommen, irgendwo zwischen Platz sieben und zwölf.
Die ganz großen Namen wird man auch im diesjährigen Kader vergeblich suchen. Das Prinzip Union funktioniert seit jeher vor allem über mannschaftliche Geschlossenheit, Kampfkraft und Einsatzbereitschaft. Eigenbrötler mit bunten Schuhen und Allüren haben es schwer an der Försterei. Verkörpert wird der Geist des Clubs auf dem Platz vom unverwüstlichen Kapitän Torsten Mattuschka, mittlerweile 33 Jahre alt. „Tusche“ ist Kult und soll den Jüngeren und Neuzugängen fast schon traditionell den Weg weisen, im zentralen Mittelfeld wie auch außerhalb des Platzes. Zu den Neuen gehörte im vergangenen Jahr auch der ehemalige „Lauterer Bub“ Fabian Schönheim. Der 26-Jährige ist nach einer Saison als Leihspieler nun fest von Mainz nach Berlin gewechselt und bildete zuletzt zusammen mit dem Kroaten Roberto Puncec die Innenverteidigung.
Ein Wiedersehen gibt es auch mit Benjamin Köhler und Adam Nemec. Zuletzt kam der Slowake meist von der Bank, er wartet nach starkem Auftakt seit dem 6. Spieltag auf sein fünftes Saisontor. Nemec immerhin weiß, wie es geht mit dem Aufsteigen, schließlich war er 2010 Teil des FCK-Teams, dem damals die Rückkehr in die Bundesliga gelang.