Im FCK-Museum beugt sich eine ältere Dame über eine der Schauboxen. Sie betrachtet die ausgestellten Fotos, die Fritz Walter beim Schreiben von Grüßen auf die Sohlen von Mini – Fußballschuhen sowie einige der kleinen Schuhe zeigen, auf deren Unterseite noch der Schriftzug des großartigen Fußballers zu erkennen ist. Die aus dem westlichen Landkreis stammende Dame lächelt und beginnt zu erzählen, wie sie im Alter von 16 Jahren den großen Fritz Walter nach einem Spiel der 1. FCK – Traditionsmannschaft kennengelernt hat. Seine Natürlichkeit und Freundlichkeit hätten ihr schnell über ihre Verlegenheit hinweggeholfen, als sie um ein Autogramm bat. Sie erhielt ein Foto von Fritz mit einer persönlichen Widmung, das sie heute noch als wertvolle Erinnerung aufbewahrt.
Solche Erinnerungen an persönliche Begegnungen mit Fritz Walter sind in den Räumen der FCK – Museumsausstellung oft zu hören und die Hochachtung und Bewunderung, die aus all diesen Erzählungen spricht, schenken uns ein besseres Bild von der Persönlichkeit Fritz Walters, als eine Aufzählung seiner Erfolge und der vielen Ehrungen, mit denen er im Laufe seiner Karriere und danach bedacht worden ist.
Dieser Fritz Walter wurde heute vor 95 Jahren in Kaiserslautern als erstes von fünf Kindern des Ehepaares Ludwig und Dorothea Walter geboren. Seine erste Begegnung mit dem Fußballspielen hatte Fritz, als er auf der Straße mit seinen Geschwistern und Kindern aus der Nachbarschaft „Kanälches“ spielte und mit großem Geschick ein kleines Gummibällchen, leere Konservendosen oder zusammengewickelte Stoffballen in die Öffnung eines Gullis jonglierte. Im Alter von zehn Jahren trat er in die Schülermannschaft des 1. FCK ein, wo er mit seiner unnachahmlichen Technik und Ballbeherrschung schon bald auf sich aufmerksam machte. Nach seiner Schulzeit begann er eine Ausbildung zum Bankkaufmann, die er mit einem Einser-Zeugnis abschließen konnte. In diese Zeit fiel auch seine „Mastkur“ bei der Metzgerfamilie Speyrer, mit der den Bedenken des Mannschaftsarztes ob der schwächlichen Konstitution des jungen Fußballers entgegengewirkt wurde.
Ab 1938 gehörte Fritz Walter der ersten Mannschaft des 1. FCK an und als Spieler, der sowohl ein Spiel gestalten als auch viele Tore erzielen konnte, der gedankenschnell den Ball „ins Gäßje“ spielen und Mitspieler in eine günstige Schussposition manövrieren konnte, lenkte er die Aufmerksamkeit des Verantwortlichen im Südwest – Fußball, Karl Hohmann, und schließlich auch des Reichstrainers Sepp Herberger auf sich. Geradezu zwangsläufig erfolgte seine Berufung in die Nationalmannschaft im Juli 1940.
Bis zum Halbfinalspiel der Fußball – Weltmeisteschaft 1958, als er nach einem rüden Foul verletzt ausscheiden musste, brachte es Fritz Walter auf 61 Länderspiele. Dabei darf nicht vergessen werden, dass der Zweite Weltkrieg und die nachfolgende Isolation Deutschlands ab Ende 1942 für acht Jahre keine Länderspiele mehr zuließen. Erst im Alter von 30 Jahren konnte Fritz seine Karriere in der deutschen Nationalmannschaft fortsetzen.
Fritz Walter wurde im Krieg, wie Millionen anderer Männer, zum Wehrdienst eingezogen, zunächst zur Infanterie, ehe er auf Betreiben von Trainer Sepp Herberger 1943 zur Luftwaffe versetzt wurde. Er kam nach Lothringen, nach Italien, wo er sich eine Malariaerkrankung zuzog, nach Norddeutschland, nach Frankreich und nach Böhmen, die heutige Tschechei. Trotz aller Widrigkeiten hatte Fritz Walter großes Glück. Bei der Luftwaffe konnte er im Geschwader des Kommodore Graf, der um sich eine gute Fußballmannschaft aufgebaut hatte, die sich „Rote Jäger“ nannte, Fußball spielen und in großen Begegnungen gegen andere Wehrmachtsmannschaften sein überragendes Können immer wieder unter Beweis stellen.
Kurz vor Kriegsende ergab sich die Einheit des Obersten Graf den Amerikanern, die aber zum Entsetzen Fritz Walters und seiner Kameraden an die Sowjets ausgeliefert und in ein riesiges Gefangenenlager auf rumänischem Boden, Marmaros-Sziget, gebracht wurde.
Erneut war es der Fußball, der den durch Krankheit geschwächten und deprimierten Fritz Walter rettete. Durch Zufall geriet er in Kontakt zu Fußball spielenden Männern des Wachpersonals, die ihn mit Duldung des russischen Lagerkommandanten in ihre Mannschaft aufnahmen. Wieder Fußball spielen zu können, war für Fritz ein wahres Lebenselixier. Eine weitere wunderbare Fügung wollte es, dass er in dem Gefangenenlager seinen Bruder Ludwig treffen konnte. Als das Lager aufgelöst und Zehntausende deutscher Soldaten in endlosen Transporten nach Sibirien transportiert wurden, beschied der Kommandant, dass Fritz und sein Bruder Ludwig mit den im Lager festgesetzten Franzosen, Belgiern und Luxemburgern nach Westen zu schicken seien; da Kaiserslautern in der französischen Besatzungszone liegen würde, seien die Walters demnach Franzosen …
Fritz Walter und seinem Bruder blieb eine ungewisse Zukunft in einer langen Gefangenschaft erspart. Im Oktober 1945 gelangten Fritz und Ludwig wohlbehalten in ihre Heimatstadt zurück. Fritz Walter begann umgehend, sich um den 1. FCK und das Zusammenstellen einer neuen Mannschaft zu kümmern. Nach und nach kehrten frühere Mitspieler aus der Gefangenschaft zurück und bildeten mit jungen Talenten die zunächst von Fritz Walter trainierte „Walter-Mannschaft“, die in den nachfolgenden 13 Jahren Fußballgeschichte schreiben sollte.
Ein erster Erfolg war 1947 der Gewinn der Meisterschaft in der französischen Besatzungszone; ein Jahr später konnte wieder eine deutsche Meisterschaft mit der Begegnung 1. FC Kaiserslautern gegen den 1. FC Nürnberg ausgetragen werden. Der 1. FCK wurde mit 2:1 besiegt, hinterließ dennoch einen hervorragenden Eindruck. Von existenzieller Wichtigkeit waren in dieser bitterarmen Nachkriegszeit auch die „Kartoffelspiele“ gegen Vereine aus ländlichen Regionen der Pfalz, bei denen die Einsatzprämie aus dringend benötigten Grundnahrungsmitteln bestand.
Fritz Walter war in all diesen Jahren die überragende Spielerpersönlichkeit seines 1. FCK und ab seinem ersten Nachkriegs – Länderspieleinsatz auch der deutschen Nationalmannschaft. Fünfmal stand Fritz mit seinem 1. FCK in einem deutschen Meisterschaftsendspiel, zweimal, 1951 und 1953, konnte er mit der Meisterschale nach Kaiserslautern zurückkehren. Der alles überstrahlende Triumph folgte 1954 mit dem Gewinn der Weltmeisterschaft in der Schweiz, zu der Sepp Herberger neben Fritz Walter noch vier weitere Akteure des 1. FCK aufgeboten hatte. Angebote, für immense Summen bei ausländischen Vereinen zu spielen, lehnte Fritz Walter wiederholt ab. Auch 1958 gehörte Fritz Walter noch zur deutschen Nationalmannschaft, die beim WM-Turnier in Schweden den achtbaren vierten Platz belegen konnte. 1959 beendete Fritz schließlich im Alter von knapp 39 Jahren endgültig seine aktive Fußballerlaufbahn. Mit seiner Frau Italia zog er in den Sechzigerjahren ins nahe Alsenborn und wirkte als Repräsentant verschiedener namhafter Firmen, besuchte für die Sepp – Herberger – Stiftung Gefängnisse und war Autor mehrerer erfolgreicher Fußballbücher.
Fritz Walter erfuhr für seine Leistungen mannigfache Ehrungen. Er wurde mit den höchsten Auszeichnungen seines 1. FCK versehen, das Betzenberg-Stadion erhielt seinen Namen, er wurde zum Ehrenspielführer der deutschen Nationalmannschaft ernannt, er erhielt das Bundesverdienstkreuz und die Ehrenbürgerschaft seiner Heimatstadt Kaiserslautern und des Landes Rheinland-Pfalz. Am 17. Juni 2002 ist Fritz Walter in Alsenborn verstorben. Seine letzte Freude war noch mitzuerleben, wie Kaiserslautern den Zuschlag als Austragungsort für die WM 2006 in Deutschland erhielt, wofür er sich in seinen beiden letzten Lebensjahren engagiert eingesetzt hatte.
Aber Fritz Walter ist nicht nur seiner großartigen sportlichen Erfolge wegen im kollektiven Gedächtnis lebendig geblieben. Es waren seine persönliche Integrität, seine Kameradschaft-lichkeit, seine Heimat- und Vereinstreue, seine Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft und insbesondere seine große Bescheidenheit, die ihn zum zeitlosen Idol – auch für die nachfolgende Generation – haben werden lassen. Fritz Walter hat Werte vorgelebt, die für den 1. FCK nach wie vor eherne Gültigkeit besitzen.
An seinem 95. Geburtstag gedenken alle FCK – Freunde in respektvoller Erinnerung des bedeutendsten deutschen Fußballers seiner Zeit.