Den Kopf leicht im Kragen der Winterjacke vergraben, stand der junge Mann mit den scharfsinnigen Augen in der Kälte. „Wo müssen wir nochmal rein, am Bühneneingang?“, blickte er sich suchend um. Stiven Rivic hatte sich für diesen Abend etwas ganz besonderes überlegt. Er besuchte das Kaiserslauterer Pfalztheater und warf dort einen Blick hinter die Kulissen.

Drin angekommen wurde der Mittelfeldspieler schon erwartet: Tanja Herrmann, verantwortlich für Marketing beim Pfalztheater und Chefdramaturgin Christina Alexandridis, begrüßten den 25-Jährigen herzlich. „Willkommen im Pfalztheater, wir freuen uns sehr, dass sie uns besuchen – ich würde sagen, wir legen gleich los und schauen uns den Fundus an“, so die Chefdramaturgin. Die kleine Delegation verschwand mit dem kroatischen Fußballer, der auch seine Freundin Emina mitgebracht hatte, in einem großen Raum im Keller des Gebäudes.

Losgelegt mit dem Fußballspielen hat Stiven mit sechs Jahren in seiner kroatischen Heimatstadt Pula. „Mein Vater und auch mein Bruder sind selbst Fußballer, außerdem ist Kroatien ein fußballverrücktes Land – so ist es nicht schwer zu erklären, weswegen ich auch damit angefangen habe“, erzählt er, „Beim NK Istra 1961 habe ich von 1991 bis 2003 alle Jugendmannschaften durchlaufen, mit 15 Jahren schon bei den Profis gespielt und war mit 16 Stammspieler. Das ging alles relativ schnell.“ Auch die kroatischen Nachwuchs-Nationalmannschaften durchlief Stiven, was ihn letztendlich nach Deutschland brachte. „Ich hatte einige Probetrainings bei großen Europäischen Vereinen wie Standard Lüttich, Olympique Marseille oder AS Rom und habe dann mit der kroatischen U17-Nationalmannschaft an einem Turnier in Tschechien teilgenommen. Dort war ich bester Torschütze und auf der Tribüne saß ein Scout von Schalke 04“, schildert der 25-Jährige seine Entwicklung. Der Ruhrpottverein holte das damalige Stürmertalent dann nach Gelsenkirchen.

„Darf ich vorstellen – das ist die ‚Herrin‘ über unsere Kostüme: Brigitte Fiedler“, wurde „Riva“, wie Stiven Rivic im Kollegenkreis genannt wird, im Fundus, also der Kostüm- und Requisitensammlung des Theaters, bekannt gemacht. Die Gewandmeisterin warf den Fußballer direkt ins kalte Wasser: „Schau dich um und such‘ einfach etwas aus, was dir gefällt – komm mit!“ Die beiden verschwanden hinter mannshohen Garderoben, die mit den verschiedensten Kostümen, Kleidern und Umhängen in allen denkbaren Farben behängt waren. Dort zog der Flügelmann ein rot schillerndes Gewand zwischen einigen unspektakuläreren Kostümen hervor. „Was ist das für eins?“, zeigte er sich interessiert und man sah seinem schelmischen, aber sympathischen Lächeln an, dass er die Chefin des Fundus auch ein wenig „testen“ wollte. Brigitte Fiedler versteht natürlich ihr Metier und gab sich keine Blöße. „Das ist ein französischer Just au Corps aus dem Jahr 1760 – dieses Kleidungsstück wurde von meist adligen Offizieren getragen und hat sich dann zur allgemeinen Hauptoberbekleidung des französischen Mannes des späten 17. und frühen 18. Jahrhunderts entwickelt. Probier mal an, ich glaube der passt.“

Der Belgier Marc Wilmots spielte im Jahr 2003 noch für den FC Schalke und wurde auf den Nachwuchsspieler Stiven Rivic aufmerksam – zusammen mit dem Ex-Lautrer Tamas Hajnal nahm der Schalker Kultspieler den Kroaten dann mit, als er Trainer beim belgischen Erstligisten VV St. Truiden wurde. Der damals 19-jährige Rivic kam zu einigen Einsätzen bei Truiden, für den Durchbruch reichte es jedoch noch nicht ganz und so führte der Weg zunächst noch einmal zurück nach Kroatien zu seinem Stammverein NK Istra 1961.

Und wie der „Just au Corps“ passte – zunächst schlüpfte „Riva“ in die Weste, das so genannte Gilet, bevor der rote, mit Brokat verzierte Rock ihn in einen französischen Adligen aus dem 18. Jahrhundert verwandelte. „Das ist aber noch nicht alles“, klärte ihn Brigitte Fiedler auf, „hier ist die Kopfbedeckung und natürlich gehört auch ein Degen dazu.“ Sprachs und reichte dem Offensivspezialisten der Roten Teufel einen schwarzen, dreieckigen Hut und die silbrig schimmernde Stichwaffe.

„Ich wollte mich einfach nur fit halten bei Istra, es wurde dann aber doch ein längeres Engagement“, so Rivic. In dem Jahr zurück in der Heimat absolvierte er dann 30 Partien, darunter ein überragendes Spiel gegen Inter Zapresic, in welchem er einen Treffer vorbereitete und drei selbst erzielte. „Das war dann der Weg nach Cottbus für mich, denn ich wurde erneut beobachtet und der damalige Energie-Coach Petrik Sander war von meiner Qualität überzeugt.“ Es hing allerdings noch vom Saisonfinale der Lausitzer ab – am 34. Spieltag der Zweitligasaison 2005/06 musste ein Dreier gegen 1860 München zum Aufstieg her, denn nur als Erstligist war der FC Energie in der Lage, Stiven Rivic nach Brandenburg zu holen. „Ich habe am Computer gesessen und ständig aktualisiert. Cottbus hat 3:1 gewonnen und damit war der Weg frei und ich spielte in der Bundesliga“, erinnert er sich. Petrik Sander war es auch, der aus dem Stürmer Rivic einen Mittelfeldspieler machte. „Irgendwann tauchte ich in der Aufstellung im linken Mittelfeld auf. Ich habe dem Trainer gesagt, dass ich mich auf dieser Position sehr wohl fühle und seitdem bin ich dort zu Hause“, so der Kroate.

Im Pfalztheater probierte Stiven noch ein paar andere Kostüme aus, darunter ein russisches Zarengewand mit original Nerz- und Perlenverzierung, jedoch fühlte er sich im französischen „Just au Corps“ am wohlsten. Den Degen fest in der Hand, war er bereit für neue Taten. „Ich würde sagen, die Maske ruft“, übernahm Christina Alexandridis erneut das Wort, „ich gehe mal vor, Dagmar Häuser erwartet uns sicher schon.“ Und so war es auch. Die Chefmaskenbildnerin des Kaiserslauterer Schauspielhauses empfing den „Neu-Franzosen“ freundlich in einem mit zahlreichen Spiegeln und Lampen ausgestatteten, schlauchförmigen Raum. „Hier bitte mal Platz nehmen, ich habe was Passendes denke ich.“ Mit diesen Worten zauberte die Theaterstylistin eine Echthaarperücke hervor, die sie, ohne lange zu überlegen, auf Rivas Kopf platzierte. Einem zunächst skeptischen Blick der Lautrer Nummer 25 folgte ein Schmunzeln: „Ich finde, das sieht erschreckend echt aus, die Haarfarbe ist ja fast genau die gleiche!“

In der Lausitz verbrachte Stiven Rivic seine bislang erfolgreichste Zeit als Profifußballer, absolvierte 73 Spiele und schoss acht Tore. „Beim 2:0-Sieg gegen Bayern München, im März 2008, habe ich eine Torvorlage gegeben. Aber einen Sieg gegen Bayern habe ich hier auf dem Betze ja auch schon mit erlebt“, bemerkt er mit einem Lächeln. Zwei Trainerwechsel und der erneute Abstieg in die Zweite Liga waren dann letztlich jedoch nicht förderlich für die weitere Entwicklung des Offensivmannes: „Ich habe im Sommer mit Pele Wollitz gesprochen und ihm signalisiert, dass ich gerne wechseln möchte. Nachdem der FCK Interesse gezeigt hat, war es nach guten Gesprächen mit Stefan Kuntz und Marco Kurz, keine Frage, wohin die Reise geht.“

Das Schauspielen hat es dem Fußballer Rivic schon sehr früh angetan: „Ich habe in der Schulzeit bereits in einigen Stücken mitgespielt und finde natürlich auch die Schauspielerei im Film sehr interessant. Aber hier im Theater, das ist schon eine ganz besondere Erfahrung.“ Nach einem Blick und sogar einem Schritt auf die große Bühne des Pfalztheaters, wofür auch die Scheinwerfer angeworfen wurden, folgte für Stiven Rivic schließlich der Höhepunkt seines „Gastspiels“ – Johannes Reitmeier, der Intendant des Schauspielhauses, bat ihn zur Probe des bekannten Shakespeare-Stückes Hamlet. „Herzlich Willkommen, wir freuen uns sehr, einen ‚Gastschauspieler‘ zu haben. Darf ich vorstellen: Hamlet mit seinen beiden Gefährten Horatio und Marcellus. Sie hören aber auch auf Daniel Mutlu, Jan Henning Kraus und Oliver Burkia.“ Die drei jungen Schauspieler schüttelten ihrem „neuen Kollegen“ vom Betzenberg die Hand. Johannes Reitmeier spornte seine Schauspielergruppe an: „Los geht’s. Wir proben gerade die vierte Szene des ersten Akts. Stiven, Du hälst dich einfach im Schatten von Hamlet auf. Mach einfach was er tut. Ihr kommt anfangs von einer Leiter nach oben, also runter mit euch auf den Boden!“ Der etwas verdutzte Stiven fügte sich, nun in ein schwarzes, in die Hamlet-Zeit passendes Gewand gekleidet, nahtlos in die Schauspielerriege ein und wich Hamlet-Mime Daniel Mutlu nicht von der Seite.

Kann man denn das Schauspielen und Fußball vergleichen? „Auf eine gewisse Art schon“, grübelt der Mittelfeldspieler schmunzelnd, „auch wenn einem bei einem Bundesligaspiel ein paar mehr Leute zusehen als im Theater.“ Die besondere Atmosphäre auf der „Bühne Betzenberg“ hat der Kroate schon am eigenen Leib erfahren und zeigt sich mehr als beeindruckt. „Ich muss immer wieder an das Spiel gegen Stuttgart denken. Wir lagen 0:3 zurück. Ich war körperlich fix und fertig und wusste nicht, wie wir das Ruder noch herumreißen sollen. Dann macht Ilian das 1:3. Und plötzlich waren die Zuschauer da. Es wurde immer lauter im Stadion, mir lief es eiskalt über den Rücken und wie aus dem Nichts hatte ich wieder Kraft, um zu laufen. So etwas gibt es nur bei uns auf dem Betze.“

„Der König wacht die Nacht durch, zecht vollauf, hält Schmaus und taumelt den geräuschgen Walzer…“ Stiven war mittendrin im ersten Hamlet-Akt. Während der Hauptdarsteller textsicher und akzentuiert seine Passagen wiedergab, bewegten sich die drei plus kroatischem Mittelfeldspieler schwungvoll durch den Raum. „Ja, sehr gut soweit. Jetzt das Gerüst hoch alle Mann“, dirigierte Regisseur Reitmeier seine Darsteller. In dem hohen Raum war ein Baugerüst aufgestellt, das Teil der Requisite war. Flink kletterten die vier nach oben, schließlich empfing Hamlet gerade die Botschaft vom Geist seines Vaters, wer denn als Mörder zu entlarven sei. „Etwas ist faul im Staate Dänemarks“, intonierte Marcellus hoch oben auf dem Gerüst gekonnt eines der berühmtesten Zitate des Shakespeare-Stücks. Stiven Rivic war mit Herz und Spaß bei der Sache und zeigte als „Co-Hamlet“ sein Talent.

In Bezug auf die laufende Bundesligasaison zeigt Stiven sich optimistisch: „Ich bin von der Qualität unserer Mannschaft überzeugt. Wir haben jetzt 21 Punkte und ich bin sicher, dass wir schon frühzeitig den Klassenerhalt unter Dach und Fach bringen werden.“ Und was gibt es noch besonderes am Menschen Stiven Rivic? „Progressive House“, antwortet er auf die Frage nach seinem favorisierten Musikstil, den er sogar selbst zusammen mit den Georgischen DJ’s Michael & Levan produziert. „Früher gab es Techno-Beats – die Musikrichtung House ist daraus hervor gegangen und oft, wenn ich Zeit neben dem Fußball finde, beschäftige ich mich damit und entwickle sie in meinem eigenen Stil weiter.“ Bei der Frage nach seinem Lieblingsessen gerät er ins Schwärmen: „Auf jeden Fall Gravce na Tavce. Das ist zwar nicht typisch kroatisch, sondern eher mazedonisch, aber unglaublich lecker – ein überbackenes Bohnengericht mit Fleisch. Ich kann es nur jedem ans Herz legen, das zu probieren.“

Im Proberaum des Pfalztheaters wurden Hände geschüttelt. „Vielen Dank, das hat echt Spaß gemacht“, verabschiedete sich Stiven Rivic von Regisseur, Chefdramaturgin und natürlich auch von seinen „Gefährten“ Hamlet, Marcellus und Horatio.  Für das Pfalztheater übernahm Christina Alexandridis wieder das Wort: „Wir bedanken uns auch und hoffen, Dich bei der Premiere von Hamlet begrüßen zu dürfen!“ Stiven sicherte zu, es einzurichten, sofern es in den knappen Zeitplan der Vorbereitung nach der kurzen Winterpause passt und tauchte, um eine Erfahrung reicher, wieder ein in den Lautrer Winterabend.

Das Video dazu gibt es jetzt auch auf www.fck-tv.de!

Ähnliche Meldungen

  • Castore
  • BFD Buchholz
  • Lacalut Dr. Theiss Naturwaren GmbH
  • G&G Preißer Verpackungen GmbH
  • Karlsberg
  • RPR1.
  • WASGAU
  • Lohnsteuerhilfeverein Vereinigte Lohnsteuerhilfe e.V.